Daemmerung der Leidenschaft
und sie welkte förmlich dahin. Auch auf andere, subtilere Weise hatte sie sich verändert; doch er konnte sich keinen rechten Reim darauf machen, da er selbst immer noch viel zu aufgebracht war, um sich auf Nuancen konzentrieren zu können.
»Wußten Sie, daß Jessie schwanger war?« fragte Booley.
Wenn Webb nicht bereits gesessen wäre, dann hätten jetzt die Knie unter ihm nachgegeben. Er starrte Booley fassungslos an.
»Offensichtlich nicht«, meinte Booley dann. Verdammt, dieser Fall war das reinste Labyrinth, lauter unerwartete Wendungen. Er würde nach wie vor auf Webb als Jessies Mörder wetten, was nicht allzuviel besagte, denn es gab einfach keine echten Anhaltspunkte. Überhaupt fehlten Beweise, Zeugen, ausreichende Motive. Mit dem, was er sagte, konnte er nicht mal einen Schwachkopf überzeugen. Webbs Alibi hatte sich als dicht erwiesen, laut Roannas Aussage war Jessie noch am Leben gewesen, als Webb aus dem Haus stürmte – lediglich eine Leiche war da. Eine schwangere Leiche, wie sich herausstellte.
»Sie war ungefähr im zweiten Monat, hat man nachgewiesen. Hat sie sich denn übergeben oder so?«
Webb schüttelte den Kopf. Sein Mund fühlte sich ganz taub an. Zwei Monate. Das Baby war nicht von ihm. Jessie hatte ihn betrogen. Er schluckte den Kloß, der in seiner Kehle saß, herunter und überlegte, was das bedeutete. Nichts hatte darauf hingewiesen, daß sie ihm untreu war, und es gab auch keinen Tratsch; in einer Kleinstadt sprach sich alles in Windeseile herum, und Booleys Untersuchungen hätten gewiß etwas zutage gefördert. Wenn er Booley nun gestand, daß das Baby nicht von ihm war, dann würde dies endgültig als glaubhaftes Motiv für den Mord an ihr aufgefaßt werden. Aber wenn es nun ihr Liebhaber war, der sie getötet hatte? Ohne den leisesten Hinweis auf die Identität dieses Mannes war es unmöglich, ihn zu finden, vorausgesetzt, Booley glaubte ihm überhaupt.
Er hatte den Mund gehalten, als er Roanna verdächtigte, und nun befand er sich in einer neuen Zwickmühle. Zuerst hatte er es einfach nicht fertiggebracht, Ro kaputtzumachen, und nun machte ihn die Tatsache, daß Jessies Baby nicht seins war, nur noch verdächtiger – der Mord an seiner Frau würde in jedem Fall ungesühnt bleiben. Wieder wallte ohnmächtige Wut in ihm auf und drohte, ihn zu zerfressen wie Säure; Wut auf Jessie, auf Roanna, auf jeden, am meisten jedoch auf sich selbst.
»Auch wenn sie es wußte«, sagte er schließlich mit heiserer Stimme, »mitgeteilt hat sie es mir jedenfalls nicht!«
»Nun, manche Frauen wissen es gleich, andere nicht. Meine Frau hat bei unserm ersten vier Monate lang weiter pünktlich ihre Periode bekommen; wir hatten nicht die blasseste Ahnung, warum sie die ganze Zeit spuckte. Weiß auch nicht, warum man das als morgendliche Übelkeit bezeichnet, denn Bethalyn hat Tag und Nacht gereihert. Wir wußten nie, wann und warum es losgehen würde. Aber dann, bei den anderen, hat sie es ziemlich schnell geschnallt. Hat wohl gelernt, die Anzeichen zu lesen oder sowas. Nun, das alles tut mir jedenfalls sehr leid, Webb. Wegen des Babys und all dem. Und, äh, wir werden den Fall offenhalten, aber ehrlich gesagt, haben wir keinen blassen Schimmer.«
Webb saß einen Augenblick lang da und starrte auf die weiß hervortretenden Knöchel seiner Fäuste, mit denen er die Stuhllehnen umklammerte. »Heißt das, ich stehe nicht länger unter Verdacht?«
»Denk schon.«
»Ich kann die Stadt verlassen?«
»... werde Sie nicht davon abhalten.«
Webb erhob sich. Er war kalkweiß. An der Tür hielt er inne und drehte sich zu Booley um. »Ich hab sie nicht getötet«, sagte er.
Booley seufzte. »In Frage wären Sie schon gekommen. Ich mußte der Sache nachgehen.«
»Klar.«
»Mir wäre es recht, ich könnte den Mörder für Sie finden, aber es sieht nicht gut aus.«
»Alles klar«, wiederholte Webb und schloß leise die Tür hinter sich.
Irgendwann während der Fahrt zum Motel fiel seine Entscheidung.
Er packte seine Sachen, beglich seine Rechnung und fuhr nach Davenport zurück. Mit Bitterkeit glitt sein Blick über das große alte Haus, das so anmutig und elegant, mit seinen ausladenden Flügeln gleichsam willkommenheißend, auf der Anhöhe thronte. Er liebte diesen Ort, wie ein Prinz sein Königreich. Eines Tages hätte es ihm gehören sollen, und er war bereit gewesen, sich für dieses, sein Königreich, bis zur Erschöpfung abzurackern. Dann hatte er die Prinzessin geheiratet. Teufel, er war
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