Daemmerung der Leidenschaft
Ambitionen, ein Symbol seines Lebens, das Herz der Davenport-Familie. Es besaß eine ganz eigene Würde, ein altes Haus, das Generationen von Davenports in seinen eleganten Wänden beherbergt hatte. Wann immer er auf Geschäftsreise war und an Davenport dachte, sah er es stets von Blumen umringt. Im Frühling explodierten die Azaleen in einem wahren Farbenmeer. Im Sommer übertrumpften sich Rosen und Rittersporn gegenseitig. Im Herbst waren es die Chrysanthemen und im Winter rosarote und weiße Kamelienbüsche. Davenport stand rund ums Jahr in Blüte. Er liebte das Haus mit einer Leidenschaft, wie er sie nie für Jessie empfunden hatte. Die Schuld an alldem das konnte er nicht ganz auf jemand anderen abwälzen, denn auch er war letztendlich schuldig, weil er das Erbe und weniger die Frau geheiratet hatte.
Nun konnte ihm auch Davenport gestohlen bleiben.
Er parkte den Wagen vor dem Haus und betrat es durch die Vordertür. Die Gespräche im Wohnzimmer brachen abrupt ab, so wie schon die ganze letzte Woche über. Nicht einmal einen Blick warf er in den Raum, sondern marschierte stracks in sein Arbeitszimmer, wo er sich hinter seinem Schreibtisch verschanzte.
Stundenlang erledigte er Schreibkram, füllte Papiere aus und übergab jegliche Kontrolle über die weitreichenden Davenport-Unternehmungen wieder an Lucinda. Als er fertig war, stand er auf, verließ sein Daheim und fuhr davon, ohne auch nur einen einzigen Blick zurückzuwerfen.
Dritter Teil
Die Rückkehr
8
»Bring Webb zu mir zurück«, sagte Lucinda zu Roanna. »Ich möchte, daß du ihn überredest, nach Hause zu kommen.«
Roannas Gesicht zeigte nichts von dem Schock, den sie empfand, obwohl er sie zu überwältigen drohte. Mit geübter Selbstkontrolle stellte sie ihre Teetasse auf dem Unterteller ab, ohne sich auch nur durch das leiseste Zittern zu verraten. Webb! Allein sein Name besaß die Macht, ihr ins Herz zu fahren und all die alten Sehnsüchte und Schuldgefühle wieder aufzurühren; vor zehn Jahren hatte sie ihn zuletzt gesehen, wie alle anderen auch.
»Weißt du, wo er ist?« fragte sie gefaßt.
Im Gegensatz zu Roanna zitterte Lucindas Hand, als sie sich ihrer Teetasse entledigte. Die dreiundachtzig Jahre lagen ihr schwer auf den Schultern, und der leichte Tremor in ihren Händen zeigte des weiteren, daß ihr Körper sie allmählich im Stich ließ. Tatsächlich waren Lucindas Tage gezählt. Sie wußte es wie jeder in der Familie. Es würde nicht gleich geschehen, nicht einmal bald, aber jetzt war Sommer, und wahrscheinlich würde sie keinen zusätzlichen mehr erleben. Ihr eiserner Wille hatte einer Menge standgehalten, sich dem gnadenlosen Lauf der Zeit jedoch langsam und allmählich beugen müssen.
»Aber natürlich. Ich habe einen Privatdetektiv beauftragt, ihn ausfindig zu machen. Yvonne und Sandra wußten schon die ganze Zeit seine Adresse, aber sie wollten sie mir nicht sagen«, berichtete Lucinda irritiert. »Er ist immer mit ihnen in Verbindung geblieben, und beide haben ihn gelegentlich besucht.«
Roanna senkte die Wimpern, um nichts von ihren Gefühlen zu verraten. Es hatte also doch Kontakt bestanden. Im Gegensatz zu Lucinda konnte sie es ihnen nicht verargen. Webb hatte keinen Zweifel daran gelassen, daß er mit dem Rest der Familie nichts mehr zu tun haben wollte; er mußte seine Leute ja verabscheuen, und sie am allermeisten. Das nahm sie ihm nicht übel angesichts der damaligen Ereignisse. Trotzdem tat es weh. Ihre Liebe zu ihm hatte sie nicht ausschalten können. Seine Abwesenheit war wie eine ständig blutende Wunde für sie, die in den vergangenen zehn Jahren statt zu heilen immer noch schmerzte.
Aber sie hatte überlebt, irgendwie – indem sie sich nach außen hin unerschütterlich gab. Verschwunden war das temperamentvolle, überschwengliche junge Mädchen, das vor Energie und Fröhlichkeit platzte. An seine Stelle war eine kühle, beherrschte junge Frau getreten, die nie eilte, die nie die Beherrschung verlor, selten lächelte, geschweige denn laut lachte. Gefühle mußten teuer bezahlt werden, zu teuer; diese bittere Lektion hatte sie durch ihre Impulsivität, ihre kindische Gefühlsinbrunst gelernt. Sie hatte Webbs Leben ruiniert.
Die einstige Roanna war wertlos und unliebenswert gewesen, also hatte sie diese Person zerstört und einen neuen Menschen aus der Asche erstehen lassen; eine Frau, die nie mehr Gipfel und Höhepunkte erfahren würde, der aber auch solche Tiefpunkte erspart blieben. Irgendwie hatte sie eine
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