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Daemmerung der Leidenschaft

Daemmerung der Leidenschaft

Titel: Daemmerung der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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küßte sie auf die Wange. Keiner näherte sich Webb. Er stand abseits, so wie in der Kirche, und sein Gesichtsausdruck war hart und verschlossen.
    Roanna ertrug es eine Weile lang. Sie war ihm aus dem Weg gegangen, da sie wußte, wie sehr er sie hassen mußte – aber wie die Leute ihn jetzt behandelten, das zerriß ihr das Herz. Sie trat zu ihm und schob ihre kleine, kalte Hand in seine große warme. Er blickte sie an, und in seinen grünen Augen stand eine Kälte, die sie erschaudern ließ.
    »Es tut mir leid«, flüsterte sie, so daß nur er sie hören konnte. Überdeutlich war sie sich all der Augen bewußt, die sich, angesichts ihrer Geste, spekulativ auf sie gerichtet hatten. »Es ist meine Schuld, daß die Leute dich so behandeln.« Tränen schossen ihr in die Augen und verschleierten ihre Sicht auf ihn, als sie nun zu ihm aufblickte. »Du sollst bloß wissen, daß ich nicht ... daß ich es nicht absichtlich getan habe. Ich wußte nicht, daß Jessie runterkommen würde. Ich hatte seit dem Mittagessen nicht mehr mit ihr gesprochen.«
    Etwas flackerte kurz in seinen Augen auf, dann holte er langsam und tief Luft. »Das spielt gar keine Rolle mehr«, sagte er und löste seine Hand sanft, aber unnachgiebig aus der ihren.
    Seine Unnahbarkeit war wie eine Ohrfeige für Roanna. Sie schwankte kurz, und nackte Verzweiflung spiegelte sich auf ihrem Gesicht. Webb stieß einen unterdrückten Fluch aus und streckte die Hand aus, um sie zu stützen, aber Roanna wich einen Schritt zurück. »Ich verstehe«, flüsterte sie. »Also störe ich dich nicht länger.« Dann verschwand sie, so leise und geräuschlos wie ein in Schwarz gehüllter Geist.
    Irgendwie schaffte sie es, ihre Beherrschung aufrechtzuerhalten. Es war jetzt leichter, als ob die Eisschicht, die sie umgab, ihre Gefühle in Schach hielte. Webbs Verhalten hätte das Eis brechen können, doch war die Schicht nach diesem neuerlichen Schlag nur noch ein Stückchen gewachsen. Es mußte so sein, anders konnte sie nicht überleben. Die Sonne brannte auf sie hernieder, doch Roanna fragte sich, ob ihr je wieder warm werden würde.
    Sie hatte kaum geschlafen seit der Nacht, in der sie Jessies Leiche gefunden hatte. Jedesmal, wenn sie die Augen schloß, sah sie die blutige Szene, wie eine Wunde in ihrem Hirn, vor sich. Aus lauter Elend und Schuldgefühlen brachte sie kaum einen Bissen herunter, so daß sie noch mehr an Gewicht verlor. Die Familie war jetzt netter zu ihr, vielleicht weil sie ja das Gewissen plagte wegen der Art, wie sie sie nach dem Auffinden von Jessies Leiche behandelt hatten – als sie alle annahmen, sie, Roanna, hätte ihre Cousine umgebracht –, aber das tat jetzt auch nichts mehr zur Sache. Es war zu wenig und kam zu spät. Roanna hatte sich innerlich so sehr von ihnen distanziert, daß sie manchmal sogar meinte, überhaupt nicht mehr richtig da zu sein.
    Nachdem das Grab mit Erde gefüllt und ein Meer von Blumen auf dem frisch aufgeschütteten Hügel verteilt worden war, machte sich die ganze Verwandtschaft und eine nicht geringe Anzahl Freunde auf den Rückweg nach Davenport. Das obere Stockwerk durfte zwei Tage von niemandem betreten werden; doch dann versiegelte Sheriff Watts einfach den Tatort und gab das übrige Stockwerk wieder zur Benutzung frei, obwohl anfangs jeder diese Räumlichkeiten weiterhin mied. Aber nur Cousin Baron und seine Familie übernachteten im Haus, da die andere Verwandtschaft ohnehin in der Nähe wohnte. Webb hatte seit Jessies Ermordung eine andere Unterkunft. Tagsüber erschien er zwar auf Davenport, doch die Nächte verbrachte er in einem Motel. Tante Gloria konnte nicht umhin zu bemerken, wie erleichtert sie sei, da sie sich mit ihm im Haus nachts nicht sicher gefühlt hätte, und Roanna wäre ihr dafür am liebsten an die Gurgel gesprungen. Nur das Bedürfnis, Großmutter nicht noch mehr Kummer zu bereiten, hielt sie davon ab.
    Tansy hatte einen Berg Essen vorbereitet, um die erwartete Menschenmenge zu versorgen, und war froh, sich nützlich machen zu können. Die Leute schlenderten ins Wohnzimmer, wo das Büffet aufgebaut war, bedienten sich und bildeten dann mit gefüllten Tellern kleine Grüppchen in Haus und Garten, wo sie sich leise über das Vorgefallene unterhielten.
    Webb schloß sich in seinem Arbeitszimmer ein. Roanna ging zu ihren Lieblingen, stellte sich an die Koppel und fand Trost, indem sie den Pferden beim Grasen zusah. Buckley erspähte sie und kam zu ihr herübergetrottet. Er streckte seinen Kopf

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