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Daemmerung der Leidenschaft

Daemmerung der Leidenschaft

Titel: Daemmerung der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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zeichnete er den sensiblen Umriß ihres Mundes nach. Davor hatte sie sich am meisten gefürchtet, vor seinen bitteren Anschuldigungen. Sie schloß die Augen und nickte.
    »Wußtest du, daß Jessie runterkommen würde?«
    »Nein!« Bei dem Ausruf bewegten sich ihre Lippen unter seinem Finger, und ihr Mund begann zu kribbeln.
    »Dann hast du mich also geküßt, weil du mich haben wolltest?«
    Was spielt Stolz schon für eine Rolle, dachte sie. Sie liebte ihn auf die eine oder andere Weise schon ihr ganzes Leben lang. Zuerst mit der Heldenverehrung eines Kindes, dann mit der wilden Schwärmerei eines Teenagers und schließlich mit der Leidenschaft einer Frau. Die letzte Wandlung war wahrscheinlich eingetreten, als sie Jessie dabei beobachtete, wie sie Webb mit einem anderen Mann betrog. Wenn sie jünger gewesen wäre, wäre sie wahrscheinlich voller Schadenfreude zu den Erwachsenen gerannt. Dieses eine Mal jedoch hatte sie Webbs Befindlichkeit über ihre eigenen Impulse gestellt; doch dann hatte sie einem anderen Impuls nachgegeben, ihn geküßt und am Ende doch den Preis bezahlt.
    Seine Finger preßten sich fester auf ihre Lippen. »Stimmt das?« beharrte er. »Hast du mich gewollt?«
    »Ja«, hauchte sie und gab damit jeden Stolz, jeden Selbstschutz auf. »... immer schon ...«
    »Was ist mit jetzt?« Seine Stimme war hart, fixierte sie auf etwas, das sie nicht erkennen konnte. »Willst du mich jetzt auch noch?«
    Was bezweckte er damit? Vielleicht wollte er ja ihre totale Demütigung? Wenn er ihr die Schuld an allem gab, dann konnte dies unter Umständen seine Wiedergutmachungsforderung sein.
    Sie nickte.
    »Wie sehr willst du mich?« Abrupt glitt seine Hand unter ihre Jacke und schloß sich über einer Brust. »Genug, um mir einen kleinen Vorgeschmack auf zukünftige Quälereien zu geben? Oder genug, um das zu vollenden, was du mir vor zehn Jahren angeboten hast?«
    Roanna hielt keuchend die Luft an. Sie war vor Schock wie gelähmt. Hilflos starrte sie ihn an; ihre dunklen Augen waren so weit aufgerissen, daß sie ihr blasses kleines Gesicht beinahe verschlangen.
    »Ich will dir was sagen«, murmelte er, und seine große Hand lag noch immer brennend heiß auf ihrer Brust, drückte sie sanft, wie um ihre Festigkeit zu testen. »Vor zehn Jahren hab ich vorausbezahlt, aber nie was gekriegt. Ich werde zurückgehen und die Kastanien für Lucinda aus dem Feuer holen – wenn du mir das gibst, was jeder bereits als Tatsache ansah.«
    Benommen wurde ihr klar, was er meinte, und sie erkannte, daß ihn die Jahre sogar noch härter gemacht hatten als angenommen. Der alte Webb hätte so etwas nie getan – oder vielleicht steckte ja immer schon solche Skrupellosigkeit in ihm, die jedoch nie zum Ausbruch kam. Die Schärfe war nun an die Oberfläche getreten.
    Hier übte er also Rache für ihren unreifen, naiven Überfall, der ihn so viel gekostet hatte. Wenn er nach Hause zurückkehrte, würde er Davenport als Entschädigung bekommen; doch er wollte, daß auch Roanna bezahlte, und zwar beanspruchte er ihren Körper.
    Sie blickte ihn an, den Mann, den sie liebte, seit sie denken konnte.
    »Einverstanden«, flüsterte sie.

9
    Das Motelzimmer war eng und schäbig und so kalt, daß sie bis auf die Knochen fror. Roanna überlegte, ob es nicht bessere Motels in Nogales gab; warum hatte er sie hierher geschleppt? Weil es näher lag oder weil er ihr zeigen wollte, wie wenig sie ihm wert war?
    Man mußte schon ein gewaltiges Selbstbewußtsein besitzen, um das alles mitzumachen, und an dieser Eigenschaft mangelte es Roanna mehr als an allem anderen. Sie kam sich mickrig und kümmerlich vor, und neue Schuldgefühle gesellten sich zu den alten; er glaubte, sie zu bestrafen, und irgendwie tat er das auch – aber in einem versteckten Winkel ihres Wesens war sie überglücklich darüber, schon bald in seinen Armen zu liegen.
    Diese Freude konnte sie kaum orten, doch sie war nichtsdestotrotz vorhanden. Sie empfand die Scham, die er ihr zufügen wollte, empfand die Demütigung. Da sie nicht wußte, ob sie genug Mut hatte, die Sache durchzustehen, dachte sie in ihrer Verzweiflung an Lucinda, die krank, zusammengesunken zuhause saß und Webbs Vergebung brauchte, damit sie in Frieden sterben konnte. Brachte sie das fertig, sich einfach hinzulegen, damit er sich eiskalt ihres Körpers bediente, selbst für Lucinda?
    Aber sie tat es nicht nur für Lucinda. Webb brauchte Rache ebenso dringend wie Lucinda Vergebung; wenn es ihm half, die Dinge ein

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