Daemmerung der Leidenschaft
Finger sie wie ein Stahlband umschlossen.
Roanna hielt die Luft an. Ein tiefes Glücksgefühl durchrieselte sie, selbst bei dieser ungehobelten Berührung, und sie wünschte, eine ärmellose Bluse angezogen zu haben, um seine Hand auf ihrer Haut zu spüren.
Die Tür zu dem niedrigen Gebäude fiel krachend hinter ihnen zu. Drinnen war es nicht gerade hell gewesen, dennoch mußte sie blinzeln, um ihre Augen an die Dunkelheit draußen zu gewöhnen. Der Vorplatz war mit Autos vollgeparkt, und das rote Neonschild mit der Aufschrift BAR spiegelte sich in den Stoßstangen und Windschutzscheiben der Wagen. Nach der rauchigen, verbrauchten Luft in der Kneipe fühlte sich die frische Nachtluft kalt und dünn an, Roanna fröstelte es. Er ließ sie nicht los, sondern führte sie über den staubigen Parkplatz zu seinem Pickup. Nun fischte er die Schlüssel aus seiner Tasche, schloß die Fahrertür auf und schob sie nach vorn. »Los, steig ein!«
Sie gehorchte und rutschte über den Fahrersitz, bis sie auf der Beifahrerseite saß. Webb folgte ihr, faltete seine langen Beine unter dem Lenkrad zusammen und knallte die Wagentür zu. Jedesmal, wenn das Barschild blinkte, konnte sie seine zusammengebissenen Kiefer sehen. In der engen Wagenkabine roch sie auch den frischen, scharfen Duft des Tequilas, den er getrunken hatte. Er saß wortlos da und starrte aus der Windschutzscheibe. Sie verschränkte die Arme, weil ihr kalt war, und schwieg ebenfalls.
»Und?« raunzte er nach einer Weile, als klar wurde, daß sie sich mit dem Reden nicht gerade überstürzte.
Sie dachte an all die Dinge, die sie sagen könnte, all die Entschuldigungen und Ausflüchte, all die Gründe, warum Lucinda sie hergeschickt hatte; aber alles lief lediglich auf zwei simple Worte hinaus: »Komm heim!«
Webb lachte verächtlich auf und drehte sich zu ihr, so daß seine breiten Schultern zwischen Wagentür und Sitz klemmten. »Ich bin daheim, soweit man das sagen kann.«
Roanna schwieg, wie so oft. Je stärker ihre Gefühle waren, desto stiller wurde sie, als ob ihr Panzer, ihre innere Schale, jeden Gefühlsausbruch verhinderte – sie durfte sich nicht verwundbar zeigen. Seine Nähe, allein der Klang seiner Stimme, wollten sie schon aus der Fassung bringen. Sie war nicht einmal in der Lage ihn anzusehen, seinen Blick zu erwidern. Statt dessen hielt sie die Augen auf ihren Schoß gesenkt und kämpfte gegen ihr unkontrolliertes Zittern an.
Er stieß einen unterdrückten Fluch aus, steckte ungehalten den Schlüssel ins Schloß und ließ den Wagen an. Der Motor sprang sofort an und verfiel in ein tiefes angenehmes Schnurren. Den Temperaturregler stellte er auf die höchste Stufe und langte nach hinten, um eine Jeansjacke vom Rücksitz zu angeln. Er warf sie auf ihren Schoß. »Hier, zieh die an, bevor du blau anläufst.«
Die Jacke war ein wenig staubig, sie roch nach Schweiß und Pferden, und unbestreitbar nach Webb. Roanna hätte am liebsten ihr Gesicht darin vergraben, zog sie sich statt dessen jedoch dankbar um die Schultern.
»Wie hast du mich gefunden?« fragte er schließlich. »Hat Mutter dir erzählt, wo ich wohne?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Tante Sandra?«
Wieder verneinte sie.
»Verdammt nochmal, ich bin nicht in der Stimmung für Rätselraten«, fuhr er sie an. »Entweder du redest, oder du verschwindest aus meinem Wagen.«
Roannas Hände krampften sich um die Jackenaufschläge. »Lucinda hat einen Privatdetektiv beauftragt, dich ausfindig zu machen, und mich dann hergeschickt.« Die Feindseligkeit, die von ihm ausging, war greifbar, versengte sie wie ein Schwelbrand. Sie hatte gewußt, daß sie nicht viel Chancen hatte, ihn zu einer Rückkehr zu bewegen; aber sie hätte nicht gedacht, daß er sie so sehr verabscheute. Ihr Magen krampfte sich heftig zusammen, und ihre Brust fühlte sich ganz hohl an, als ob sie kein Herz mehr hätte.
»Dann bist du also nicht von allein gekommen?« fragte er scharf.
»Nein.«
Mit einer plötzlichen, unerwarteten Bewegung packte er sie beim Kinn. Seine Finger gruben sich schmerzhaft in ihre weiche Haut, als er ihren Kopf zu sich herumriß. Ein sanftes, bedrohliches Schnurren lag in seiner Stimme, als er nun sagte: »Sieh mich an, wenn du mit mir redest.«
Hilflos gehorchte sie ihm, verschlang ihn mit ihren Augen, jede geliebte Linie seines Gesichts, wie um ihn für immer in ihr Gedächtnis zu meißeln. Das war vielleicht das letzte Mal, daß sie ihn je sah, und wenn er sie fortschickte, würde noch ein
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