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Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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mißbraucht hatten und die Wiederherstellung der Disziplin auf dem Rücken eines einfachen Matrosen stattfand, unzählige Male erlebt.
    Der Mann war eine Landratte, die vor Portsmouth Point gepreßt worden war. Trotz aller Warnungen war er ein Aufrührer geblieben, ein Schmierenadvokat des Zwischendecks, wie Richard Bolitho solche Männer zu nennen pflegte.
    Es klopfte an der Tür, und der Erste Offizier blickte hinein. Er sah etwas überrascht aus, so als ob er fast vergessen hätte, wie sein Kapitän in voller Uniform aussah.
    »Ja, Aubrey, was gibt es?« Er bereute seine Schärfe sofort.
    »Sind Sie bereit?«
    Martin meinte unsicher: »Ich glaube, daß es mein Fehler war, Sir. Als Erster hätte ich es vorhersehen und verhindern müssen.« Wie um ihn zu necken, schrillten an Deck die Pfeifen, klatschten nackte Füße über das Deck.
    »Alle Mann achteraus! Antreten zur Bestrafung!«
    Adam antwortete: »Irgendwie kann ich die Leute verstehen, aber Mitleid ist ein Luxus, den sich kein Kommandant lange leisten kann. Es bleibt immer ein Risiko, sogar bei denen, die wir genau zu kennen glauben. Ich habe zu oft davon gehört. Wenn die Stimmung auf dem Schiff brenzlig ist, kann sogar Verständnis als Schwäche ausgelegt werden.«
    Martin nickte und vermutete, daß der Kapitän viel von dem, was er sagte, bei Richard Bolitho gelernt hatte.
    »Weitere Befehle, Sir?«
    Adam blickte zur Seite. Er zeigte durch diese Diskussion eben diese Schwäche. »Beide Wachen um sechs Glasen am Nachmittag am Deck. Wir werden wieder Kurs ändern, wie für unsere Patrouille geplant.« Er versuchte zu lächeln, aber es blieb ein Krampf. »In zwei Tagen, vielleicht in drei, werden wir den Konvoi des Kommodore sichten. Dann werden wir reichlich zu tun haben.« Er war sich bewußt, daß er Keens Namen nicht erwähnt hatte. Hing das mit seiner Schuld zusammen?
    Sie gingen gemeinsam an Deck. Die hochstehende Sonne ließ die Segel gegen das straffe geteerte Rigg transparent erscheinen.
    Die Royal Marines hatten quer über das Achterdeck Aufstellung genommen. Ihr Leutnant, Montague Baldwin, hatte seinen gekrümmten Säbel blank über die Schulter gelegt. Leutnant Dacre, der Wachoffizier, stand neben Partridge, dem Navigator, jung und alt nebeneinander. Die Fähnriche und die anderen Deckoffiziere standen an der Reling des Achterdecks, während sich die Mannschaft auf dem Geschützdeck, den Laufbrücken und den Wanten schweigend zusammendrängte.
    Martin sah den Kapitän nicken und gab sein eigenes Signal für den Beginn des Rituals. Der Gefangene wurde nach oben gebracht, eine große aufrechte Gestalt. Er hielt den Kopf hoch erhoben wie ein Volksheld auf dem Weg zum Galgen. Er wurde von Gwynne und einem Bootsmannsmaaten flankiert, dann folgte McKillop, der Arzt, und der Profos. Es herrschte völlige Stille, sogar die Segel schienen Ruhe zu halten.
    »Hüte ab!« Die wenigen Hüte wurden abgenommen. Ein paar Männer beobachteten den Gefangenen, der bis jetzt allgemein unbeliebt gewesen war; die anderen blickten auf den schlanken dunkelhaarigen Mann mit den glänzenden Epauletten, der im Kreis seiner Offiziere stand und trotzdem ganz allein zu sein schien.
    Adam nahm den Hut ab, zog die Kriegsartikel aus der Tasche und blickte den Gefangenen an. Alles eine Besatzung, und doch tausend Meilen voneinander entfernt.
    Seine Stimme war ruhig und ohne Emotionen, so daß ihm viele der anwesenden Seeleute und Seesoldaten nicht zuhörten. Nicht, daß das eine Rolle gespielt hätte, zumindest die alten Hasen kannten die einschlägigen Artikel auswendig. Adam meinte sogar zu sehen, daß der Zimmermann einen seiner Maaten anstieß, als er zur letzten Zeile kam: »… oder soll den Tod, wie nachstehend beschrieben, erleiden.« Er schloß das Heft und fügte hinzu: »Von mir verfügt auf Seiner Britannischen Majestät Schiff
Anemone
.« Er setzte den Dreispitz auf. »Vollziehen Sie die Strafe!«
    Die Gräting war schon gegen den Laufsteg aufgeriggt, und bevor er sich wehren konnte, war der Gefangene entblößt und mit Armen und Beinen daran gefesselt.
    Adam sah, daß der jüngste Fähnrich seine Fäuste öffnete und schloß, aber nicht aus Mitleid, sondern eher wie ein Jagdhund, der Beute wittert. Adam befahl scharf: »Weiter, Mr. Gwynne.«
    Jemand rief: »Zeig's ihnen, Toby!«
    Leutnant Baldwin meinte gelassen: »Ruhig, Marines!«
    Das erinnerte Adam an die Zeit, als er unter Keen gedient hatte. Keen hatte in Zeiten großer Anspannung denselben Tonfall benutzt, wie

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