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Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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zu, das er gelesen hatte, und verschwand.
    Herrick blickte auf die Tür, als sie eintraten, so als ob er geahnt hätte, daß sie kommen würden.
    Bolitho beugte sich über die Koje. »Wie geht es dir, Thomas?« Er fürchtete, daß Herrick vergessen haben könnte, was sie zusammen erlebt hatten, und sich wieder gegen ihn wenden würde. Herrick studierte sein Gesicht, seine Augen leuchteten blau im Licht der Lampen. »Es schmerzt, Richard, aber ich hatte viel Zeit über dich … über uns nachzudenken.« Er versuchte zu lächeln, aber das Gesicht war schmerzverzerrt.
    »Du siehst müde aus, Richard …« Er wollte eine Hand ausstrecken, doch preßte dann plötzlich die Augen zusammen.
    »Ich werde meine Hand verlieren, nicht wahr?«
    Bolitho sah, daß der Arzt nickte, nur knapp, als ob alles schon entschieden wäre.
    Minchin setzte sich auf eine Kiste. »Es muß gemacht werden, Sir.« Er zögerte. »Bis zum Ellbogen.«
    Herrick seufzte auf: »Oh, mein Gott.«
    »Sind Sie sicher?« Bolitho blickte in die geröteten Gesichtszüge des Arztes. Minchin nickte. »So schnell wie möglich, Sir. Sonst…« Er mußte nicht weitersprechen.
    Bolitho legte eine Hand auf Herricks Schulter. »Kann ich irgend etwas für dich tun?«
    Herrick öffnete die Augen und sagte: »Ich habe dich enttäuscht.« Bolitho versuchte zu lächeln. »Nein, Thomas. Denke nur an dich, halte durch!«
    Herrick starrte ihn an. Er war gewaschen und rasiert; auf einen Fremden würde er einen ganz normalen Eindruck gemacht haben. Er blickte auf den blutigen Verband an seiner zerschmetterten Hand.
    »Schick meiner Schwester das Teleskop, wenn ich es … nicht packen sollte, Richard.«
    Bolitho drehte sich in der Tür um. »Du wirst es packen, ganz bestimmt!«
    Der Rückweg zur Kabine schien endlos zu sein. Zu Allday meinte er: »Ich muß dich um einen Gefallen bitten, alter Freund.«
    Allday nickte mit seinem Wuschelkopf und rollte den Lederlappen zusammen, in dem er seine Schnitzmesser und das Segelgarn verwahrte, das er für die Takelage seiner Schiffsmodelle brauchte.
    »Keine Sorge, Sir Richard, ich bleibe bei ihm.« Er sah die Sorge in Bolithos Augen. »Ich sage Ihnen Bescheid, wenn etwas passieren sollte.«
    »Danke.« Er drückte den starken Arm, unfähig, mehr zu sagen.
    Allday sah ihm nach, wie er zur Kabinentür ging, wo der Posten trotz der Schiffsbewegungen schon steif wie ein Ladestock in Habtachtstellung stand.
    Hinter der Tür würde er den anderen Kommandanten nichts von seiner Sorge zeigen, da war Allday sicher. Was wußten die schon? Alles, was sie wollten, war Ehre und jemand, der sie führte und beschützte.
    Ozzard kam aus der Tür, und Allday fragte rauh: »Hast du noch Brandy, Tom? Von der besten Sorte?«
    Ozzard blickte ihn prüfend an. Also nicht für ihn selbst. Das war etwas anderes.
    »Ich hole ihn.«
    »Nachher brauche ich auch einen kräftigen Schluck.«
    Nachher.
Das Wort schien noch im Raum zu schweben, als Allday längst nach unten verschwunden war.
    Kapitän Adam Bolitho sah auf sein Spiegelbild, zog stirnrunzelnd seinen Rock glatt und brachte den Degen an die richtige Stelle. Die
Anemone
bewegte sich heftig in der achterlichen See. Die Luftfeuchtigkeit in der Kabine war die Ankündigung eines baldigen Regenschauers. Kein sanfter Regen, wie er über den Feldern und Dörfern Cornwalls niederging, sondern schwere Schauer, die so schnell vorüberzogen, daß keine Zeit blieb, wertvolles Trinkwasser aufzufangen. Aber das konnte er seinem Ersten Offizier überlassen.
    Adam Bolitho haßte das Ritual der Auspeitschung, obwohl es die meisten Seeleute als etwas ansahen, was man nie ganz vermeiden konnte. Vielleicht war die jetzt anstehende eine Folge der endlosen Patrouillen, auf denen man nichts außer einer Kurierbrigg gesichtet hatte, oder ein Handelsschiff, das sich aus einem Krieg heraushalten wollte, den es nicht verstand. Langeweile und die Enttäuschung über den Verlust der Prisen hatte die Mannschaft verbittert. Segel- und Geschützdrill konnte ihre Frustration nicht länger im Zaum halten. Der Wunsch nach einem Gefecht mit dem Feind war dumpfer Resignation gewichen.
    Der besagte Mann hatte einen Unteroffizier nach einem Streit wegen der Veränderung des Dienstplanes geschlagen. Unter anderen Umständen hätte Adam eine Untersuchung des Vorfalls angeordnet, aber in diesem Fall kannte er den Unteroffizier als erfahrenen und ungewöhnlich geduldigen Seemann. Adam hatte den umgekehrten Fall, bei dem Offiziere ihre Autorität

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