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Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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erwartungsvoll lächelnder Leutnant wartete an der Treppe. Seine Ankunft war offensichtlich bemerkt worden. Während er dem jungen Offizier die Treppen nach oben folgte, mußte er plötzlich an Jenour denken und fragte sich, wie er mit seinem neuen Kommando klarkam. Die neugewonnene Reife nach dem Verlust der
Golden Plover
und den wagemutigen Versuchen, das unglückliche Schiff nach der Meuterei wieder zu nehmen, hatte ihn überzeugt, daß er in der Lage war, seine hart erworbene Erfahrung auch anderen zu vermitteln. Wie hatte es Keen ausgedrückt, nachdem Tyackes Brigg
Larne
sie gerettet hatte: »Keiner von uns wird jemals wieder ganz der alte sein.«
    Vielleicht hatte Keen recht. Wer hätte es jemals für möglich gehalten, daß Bolitho freiwillig in Erwägung ziehen würde, die Marine zu verlassen, sollte dieser Krieg endlich beendet sein? Er wanderte die Korridore entlang, vorbei an den unpersönlichen Türen, an den aufgereihten Stühlen, auf denen die Kapitäne Platz nehmen konnten, wenn sie darauf warteten, was ihre Vorgesetzten für sie bereithielten: Lob, Beförderung, Strafe. Bolitho war froh, daß sie alle leer waren. Zur Zeit war jeder Kommandant unersetzlich, gleich wie jung er war. Dafür sorgten die bitteren Verluste. Er hatte hier oft genug gesessen, wartend, hoffend, voller Befürchtungen.
    Sie hielten vor der großen Doppeltür, hinter der Godschale einst hofgehalten hatte. Er war Fregattenkapitän wie Bolitho gewesen, gleichzeitig waren sie zum Kapitän zur See befördert worden. Darüber hinaus gab es keine Gemeinsamkeiten. Godschale liebte das gute Leben: Feste, Bälle, große Bankette und Staatsempfänge. Er hatte ein Auge für hübsche Gesichter und eine so stumpfsinnige Frau, daß er seine Seitensprünge nur als gerecht empfand.
    Bolithos Meinung nach ließen Godschales strategischen Pläne oft die logistischen Möglichkeiten der verfügbaren Schiffe, des Nachschubs und die Entfernungen in den endlosen Ozeanen, in denen sich der Feind seine Opfer suchen konnte, außer Betracht. Dann hatte er versucht, Bolitho zur Rückkehr zu dessen Familie zu überreden. Trotz Godschales verletzender Art, Einwände zur Seite zu wischen, wußte Bolitho, daß er ihn seltsamerweise vermissen würde – Schwulst hin oder her.
    Er drehte sich um, weil er bemerkte, daß der Leutnant mit ihm sprach – wahrscheinlich schon während des ganzen Weges von der Eingangshalle.
    »Wir waren alle sehr aufgeregt, als wir kürzlich von Ihrem Sieg über Konteradmiral Baratte hörten. Es ehrt mich, daß ich Sie empfangen durfte.«
    Bolitho lächelte. Das Französisch des jungen Mannes war ohne Akzent. Er würde es weit bringen.
    Die Türen öffneten sich und schlossen sich hinter ihm wieder. Er sah, daß ihn Admiral Sir James Hamett-Parker über einen wuchtigen Schreibtisch mit Marmorplatte anblickte. Er machte den Eindruck, als hätte er längere Zeit auf die Tür gestarrt, um sich auf die ersten Sekunden des Treffens vorzubereiten. Der große Weinschrank, die Uhr mit den Cherubinen, das Modell von Godschales erstem Kommando, waren verschwunden. Sogar die Luft schien sich verändert zu haben.
    Hamett-Parker erhob sich langsam, und sie schüttelten sich über den riesigen Tisch hinweg die Hände.
    »Willkommen, Sir Richard«, er deutete auf einen Stuhl, »ich dachte, wir sollten uns ohne weiteren Zeitverlust treffen. Es gibt viele Dinge, die wir besprechen müssen.« Er hatte eine scharfe Stimme, sprach aber ohne Hast, so als ob jedes Wort erst geprüft würde, bevor es seinen Mund verließ. »Ihr Neffe hat eine schnelle Überfahrt gemacht, wie es scheint. Wo Zeit eine Rolle spielt, muß ich ein Beckmesser sein. Hier ist schon zuviel davon vergeudet worden.«
    Bolitho lauschte aufmerksam. Wollte er damit andeuten, daß Godschale der Missetäter war? Oder wollte er nur seine Loyalität prüfen?
    Langsam ging Hamett-Parker zu einem Fenster und schob den Vorhang zur Seite. »Ich habe Ihre Ankunft gesehen, Sir Richard. Sie sind alleine gekommen.«
    Er hatte ihn beobachtet, um zu sehen, ob Catherine ihn begleitete oder im Wagen wartete.
    Er erwiderte: »Von Chelsea, Sir James.«
    »Ah.« Weiter nichts. Bolitho sah das feingeschnittene Profil, die leichte Hakennase, den jungen Mann, der noch immer hinter der Maske steckte. Sein Haar war grau, an einigen Stellen weiß, so daß es im fahlen Sonnenlicht wie eine Perücke wirkte. Er trug sogar noch einen altmodischen Zopf. Auf einem verblichenen Gemälde aus dem letzten Jahrhundert

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