Daemmerung ueber der See
Schmuggler. Du kannst den Namen ändern, wenn du möchtest.«
Sie schüttelte so heftig den Kopf, daß sich ihr Haar aus den Kämmen befreite und im Wind wehte. »Richard sagt, daß es Unglück bringt, wenn man den Namen eines Schiffes ändert.« Sie sah ihn gerade an. »Was ist mit der Besatzung geschehen?« Er zuckte die Achseln. »Die schmuggelt nie wieder.«
»Wie weit ist es bis Fowey?«
»Ungefähr dreißig Meilen auf den Poststraßen, aber bei einem Wetterumschlag …« Er machte eine nachdenkliche Pause. »Ich werde dich nicht ohne Schutz reisen lassen. Ich würde dich selber begleiten, aber …« Sie lächelte. »Es wäre mir eine Ehre, Catherine, aber bis zum Einbruch des Winters werde ich hier gebraucht. In St. Austell kannst du die Reise unterbrechen … Ich habe Freunde dort, das kann ich arrangieren.« Sein Tonfall deutete an:
Falls du meinst, reisen zu müssen!
Sie blickte an ihm vorbei auf die weißen Katzenpfoten, die die ankernden Frachter umspülten, und auf die Ruderboote, die ihrem Gewerbe nachgingen. Sie spürte die Kälte durch ihren dicken Mantel. Blätter trieben auf dem Wasser, und die kahlen Bäume glänzten schwarz vom nächtlichen Regen. Und doch war es erst Oktober, jedenfalls noch ein paar Tage. Sie hatte den Kauf des Schiffes mit einem Anwalt besprochen, der extra aus London gekommen war. Er hatte dieselben Zweifel wie Roxby geäußert. Nur Ferguson, der einarmige Verwalter, war begeistert gewesen, als sie ihm die Pläne erläutert hatte.
»Ein gutes, starkes Boot, Lady Catherine. Es kann bis Schottland oder Irland fahren, dort sind Hungersnöte keine Seltenheit!«
Roxby rief: »Dort ist so ein Schiff!« Er zeigte mit seiner Reitpeitsche in die Richtung, sein Gesicht war durch die kalte Luft noch stärker gerötet als sonst.
»Zwei Masten?« Sie blickte ihn fragend an. »Eine Brigg?«
Er verbarg seine Überraschung, daß sie darüber Bescheid wußte. »Keine normale Brigg, sondern eine Kohlenbrigg, breit und mit tiefen Laderäumen, damit kann man jede Ladung fahren.«
Sie hielt ihre Hand über die Augen und beobachtete, wie die Kohlenbrigg wendete und langsam die Einfahrt ansteuerte. Ihre dunkelrot gelohten Segel zeichneten sich gegen das Vorland und die Batterie auf den Hügeln von St. Mawes ab.
»Zweitausend Pfund, hast du gesagt?«
Roxby erwiderte dumpf: »Guineen, fürchte ich.«
Er bemerkte dasselbe schelmische Lächeln, das er schon bei seinen Empfängen bemerkt hatte. Roxby erkannte, daß sie sich entschlossen hatte.
»Ich werde alles in die Wege leiten, aber es ist keine Arbeit für eine Lady. Meine Nancy wird mir die Hölle heiß machen, daß ich es erlaube!«
Sie erinnerte sich an den jungen Fähnrich, der Richards bester Freund gewesen war, und der sein Herz an das Mädchen verloren hatte, das schließlich Roxby geheiratet hatte. Wußte Roxby davon? Trauerte Richards Schwester noch um den Jungen, der gefallen war? Sie mußte an Adam denken und fragte sich, ob Richard schon mit ihm gesprochen hatte.
»Ich reite mit Ihnen«, bemerkte Roxby, »es liegt auf meinem Weg.« Er winkte seinem Pferdeknecht, aber sie hatte sich schon in den Sattel geschwungen. Schweigend ritten sie, bis das Bolitho -Haus durch die kahlen, vom Wind gepeitschten Bäume zu sehen war. Solide, verläßlich, zeitlos, dachte Roxby. Er dachte sich, daß er es eines Tages erwerben würde, sollten die Dinge für die Bolithos schlecht laufen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Frau in Grün. Aber das war Vergangenheit. Mit einer Frau wie dieser an der Seite, konnte sein Schwager alles erreichen. »Du mußt bald mal wieder zum Essen zu uns kommen«, meinte er leutselig.
Sie zog die Zügel fester, als Tamara in Sichtweite des Hauses schneller wurde. »Das ist nett von dir, doch das verschieben wir auf später. Grüße Nancy bitte ganz herzlich von mir.«
Roxby sah ihr nach, bis sie durch das verwitterte Tor verschwunden war. Sie würde nicht kommen, nicht solange sie nichts von Richard gehört hatte. Er seufzte und lenkte sein Pferd wieder auf den Weg. Sein Knecht trottete in respektvoller Entfernung hinter ihm her. Er dachte nach, um sich von der schönen Frau abzulenken, die ihn gerade verlassen hatte. Sein Tag morgen würde ausgefüllt sein. Zwei Männer hatten Hühner gestohlen und den Eigentümer geschlagen, der sie ertappt hatte. Er würde dabei sein müssen, wenn man sie aufhängte. Das zog immer eine große Menschenmenge an, wenn auch nicht ganz so groß wie bei einem Straßenräuber
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