Daemmerung ueber der See
oder Piraten. Der Gedanke an Piraten ließ ihn wieder an den Kohlenfrachter denken. Er würde ein Empfehlungsschreiben für Lady Catherine vorbereiten, das ihr weiterhelfen würde.
Er war müde und deprimiert, als er sein eigenes großes Haus erreichte. Die Auffahrt und Nebengebäude waren gepflegt, die Mauern und Gärten in gutem Zustand. Französische Kriegsgefangene hatten viel dazu beigetragen. Sie waren froh gewesen, den Gefängnissen oder, was noch schlimmer war, den Gefangenenhulken zu entrinnen. Der Gedanke ließ ihn sich wieder als Menschenfreund fühlen, und seine Stimmung besserte sich. Seine Frau überraschte ihn in der Halle mit einer Neuigkeit. Wie es schien, würde Valentine Keen, der zum Kommodore ernannt worden war, sie mit seiner jungen Frau besuchen, bevor er eine neue Aufgabe übernahm. Roxby war erfreut, meinte aber: »Sollten sie ihren kleinen Schreihals mitbringen, halte ihn fern von mir.« Dann lachte er. Es würde Nancy guttun, etwas Gesellschaft zu haben. Er dachte an Catherine. Und ihr auch.
»Wir werden ein paar Leute einladen, Nancy.«
»Wie geht es Catherine?«
Roxby setzte sich und wartete, bis ihm ein Diener die Stiefel ausgezogen hatte. Ein anderer erschien mit einem Glas Cognac. Als Friedensrichter erschien es ihm weise, nicht nach der Herkunft zu fragen. Er dachte über ihre Frage nach.
»Sie vermißt ihn, meine Liebe. Stürzt sich in Arbeit, damit die Tage vergehn.«
»Du bewunderst sie, nicht wahr, Lewis?«
Er sah in ihr hübsches Gesicht und die Augen, die er in seiner feurigen Jugend mit der Farbe des Lavendels im Sommer verglichen hatte. »Habe nie eine größere Liebe gesehen«, sagte er. Als sie zu seinem Stuhl kam, legte er einen Arm um ihre kräftige Hüfte, die einst so schmal gewesen war. »Außer der unseren natürlich.«
Sie lachte. »Natürlich.«
Sie drehte sich um, als plötzlich Regen gegen die Fenster peitschte. Roxby, bodenständiger Gutsherr, der er war, konnte so etwas ignorieren, aber sie war die Tochter eines Seemannes und die Schwester des berühmtesten Seeoffiziers seit Nelsons Tod. Sie hörte sich murmeln: »Mein Gott, an einem Tag wie diesem auf See …« Als sie sich umwandte, war Roxby neben dem Feuer eingenickt.
Sie sagte sich, daß sie alles hatte, was sie sich wünschen konnte. Ein großes Haus, eine herausragende gesellschaftliche Stellung, zwei gutgeratene Kinder und einen Mann, der sie aufrichtig liebte. Aber sie hatte den jungen Mann nie vergessen, der ihr vor vielen Jahren sein Herz geschenkt hatte. In ihren Träumen sah sie ihn manchmal in seinem blauen Uniformrock mit den weißen Aufschlägen vor sich, sein offenes Gesicht und das blonde Haar wie das von Valentine Keen. Sie stellte sich vor, daß er auf großer Fahrt war und den Gefahren der See trotzte. Eines Tages würde er ins Haus spaziert kommen, und sie hätten sich beide weder verändert noch wären sie gealtert. Sie spürte einen Kloß in ihrem Hals und flüsterte: »Oh, Martyn, wo bist du?«
Doch nur der Regen war zu hören.
Lady Catherine Somervell ging ins Schlafzimmer und hörte den Regen auf das Dach prasseln und aus den übervollen Regenrinnen herunterklatschen. Im Kamin brannte ein kräftiges Feuer, und trotz der bitteren Kälte draußen war es hier angenehm warm. Sie hatte ein heißes Bad genommen, und ihr Körper brannte noch immer vom kräftigen Abrubbeln. Es war gut, daß sie sich nicht länger in Fowey oder bei Roxbys Freunden in St. Austell aufgehalten hatte. Jetzt würden die Straßen schlammige Fallen für jede Kutsche und jedes Pferd sein.
Alle waren nett zu ihr gewesen, und sogar der Prisenkommissar hatte schließlich die Überraschung verdaut, daß er es mit einer Frau zu tun hatte. Sie goß sich etwas von Grace Fergusons Kaffee ein, neben den jemand diskret ein Glas Cognac gestellt hatte.
Es war schön, wieder zu Hause zu sein, besonders weil Valentine Keen mit seiner jungen Frau kurz vor ihr angekommen war. Kommodore Keen war voller Neuigkeiten über seinen kleinen Sohn, den sie in Hampshire zurückgelassen hatten. Eine von Keens Schwestern hatte darauf bestanden, die Pflege des Babys zu übernehmen, so daß sie die Reise zusammen unternehmen konnten. Catherine hatte sich gefragt, ob es aus Rücksicht auf sie geschehen war, weil sie Zenoria erzählt hatte, daß sie keine Kinder bekommen konnte.
Wann immer sie Keen ermuntert hatte, von seinem neuen Einsatz zu sprechen, hatte sie den Schmerz in Zenorias Augen sehen können. Eine Trennung so schnell nach
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