DAEMON
weitsichtigen Augen das Cover erkennen konnten. Auf der Titelseite war ebenjener Sobol. Das Heft war acht Monate alt. Die Titelschlagzeile lautete:
Der Mörder aus dem Jenseits
. «Diese Geschichte?» Vanowen warf das Heft auf den Konferenztisch. «Das war ein Hoax.» Er deutete auf den Plasmabildschirm. «Und das da ist auch einer. Mein Junge an der USC könnte dieses Video vermutlich auf seinem Powerbook fabrizieren.»
«Russ, jemand hat es geschafft, uns nicht nur durch einen koordinierten, weltweiten Angriff die Administratorenrechte in unserem gesamten Netzwerk zu stehlen, sondern es auch noch so zu machen, dass wir es monatelang nicht bemerkt haben. Er hat nicht die geringste Spur hinterlassen. Sobol war einer der wenigen Menschen, die dazu in der Lage waren.»
«Jetzt werden Sie mal nicht paranoid. Herrgott, irgendwelche Hacker sind in unser Netzwerk eingedrungen und versuchen jetzt, dumme Scherze mit uns zu treiben. Rufen Sie das FBI.»
«Russ, dieses Video ist nicht gefakt. Hören Sie ihn an, dann wissen Sie, was ich meine.» Lindhurst löste den Pausenknopf.
Auf dem Bildschirm erwachte Matthew Sobol wieder zum Leben. Die Infomercial-Musik verklang. «Inzwischen begreifen Sie allmählich, dass Sie keine Kontrolle mehr über Ihr Netzwerk haben und Ihre Backups irreparabel beschädigt sind. Ich bin jetzt ein integraler Bestandteil Ihres Unternehmens – und zwar schon seit Monaten. Ich kann Sie dahingehend beruhigen,dass Ihre Firmendaten unbeschadet sind und offsite genügend Backups existieren, um Ihnen im Fall einer Naturkatastrophe oder sonstigen Kalamität ein nahtloses Weiterarbeiten zu ermöglichen.
Ehe ich fortfahre, möchte ich Sie bitten, sich dieses Video ganz anzusehen, bevor Sie lokale Polizeibehörden oder das FBI einschalten. Diese Aufzeichnung enthält wichtige Informationen, die Ihre diesbezügliche Entscheidung beeinflussen könnten.»
Begleitet von einem melodischen Jingle, erschien ein rotierendes Inset, das neben Sobols Kopf zum Stehen kam. Es war ein Video von Sobols lichterloh brennendem Haus.
Sobol lächelte freundlich. «Wie Sie sehen, garantiert polizeiliche Intervention keineswegs Sicherheit. Obwohl die betreffenden Behörden zweifellos gern bereit wären, es in Ihrem Haus noch einmal zu versuchen.»
Das Video-Inset zeigte jetzt eine Ansammlung zitternder Fragezeichen.
Sobol blickte konzentriert in die Kamera. «Aber Sie werden sich sicher fragen, wie Sie in diese Situation gekommen sind. Um diese Frage zu beantworten, müssen wir, auch wenn es Sie vermutlich erstaunt, ein paar hundert Millionen Jahre zurückgehen, zu den Anfängen des Lebens auf dem Planeten Erde.»
Die Fragezeichen wurden größer, bis sie den ganzen Bildschirm ausfüllten, und gingen dann in ein Bild der urzeitlichen Erde über. Es war eine 3 D-Animation der Urmeere, die von exotischen Lebewesen wimmelten – Fischen mit rasiermesserscharfen Zähnen und peitschenartigen Rüsselnasen, flirrenden Schwärmen winziger, durchscheinender Organismen.
Vangelis-Musik drang aus den Raumklanglautsprechern. Sobols Stimme sagte: «Ich erzähle Ihnen jetzt die Geschichtedes erfolgreichsten Organismus aller Zeiten: die Geschichte des
Parasiten
.»
Ins Bild glitt ein großer, besonders gemein aussehender Fisch mit zwei Reihen einzeln stehender, spitzer Zähne und stachelartigen Rückenflossen. Ein kleiner Organismus schwamm auf die Stelle direkt hinter den Kiemen des Riesenfischs zu – und heftete sich unbemerkt daran. Ein Dutzend gleichartige Organismen folgten ihm und hefteten sich ebenfalls an.
Sobol sagte: «Schon früh teilte sich die Evolution in zwei Stränge: eigenständige Organismen – die unmittelbar in der Welt lebten – und Parasiten – Organismen, die auf, in und von anderen Organismen lebten. Und es waren die Parasiten, die sich als der weit erfolgreichere Strang erwiesen. Heute kommen auf jeden eigenständigen Organismus in der Natur drei Parasiten.»
Die Computeranimation ging von einem Weltzeitalter zum nächsten über – von Amphibien über Reptilien zu Säugetieren. Die Parasiten entwickelten sich parallel zu ihren Wirten, befielen sie und rotteten manche Arten aus, während andere Arten Mittel herausbildeten, sie in Schach zu halten – jedenfalls für eine gewisse Zeit.
«Diese beiden Stränge der Evolution stehen seit Urzeiten in einem Wettrüsten, entwickeln sich ständig weiter, um sich gegenseitig die Vorherrschaft über unseren Planeten streitig zu machen. Während die Parasiten
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