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DAEMON

DAEMON

Titel: DAEMON Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Suarez
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sich in dem verwüsteten Raum um. «Ich wollte Sie nicht so empfangen. Ich habe nur vor einer Stunde das mit Sebeck gehört. Da ist es wohl mit mir durchgegangen.» Er begann, die verstreuten Papiere aufzusammeln.
    Sie half ihm. «Es ist meine Schuld. Sie sind jetzt seit Monaten hier eingesperrt. Ich muss es schaffen, dass die Auflagen gelockert werden.»
    Sie griffen beide nach demselben Endlospapierausdruck und konnten es gerade noch verhindern, mit den Köpfen zusammenzuknallen. Nur Zentimeter trennten ihre Gesichter. Sie erstarrten in befangenem Schweigen.
    Philips’ Herz raste. Abrupt wich sie zurück und richtete sich auf. «Ich muss meine E-Mails checken.» Sie schnappte sich ihren Blazer von der Stuhllehne und fuhr hastig hinein, ohne vorher ihre Blusenärmel hinunterzukrempeln. Dann nahm sie ihre Reisetasche.
    Ross sah ihr zu. «Sie brauchen nicht gleich   –»
    «Ich bin Beamtin einer Bundessicherheitsbehörde, Jon. Sie sind ein Krimineller unter meiner Aufsicht – ein Ausländer ungeklärter Herkunft. Identität unbekannt.»
    «Wenn Ihnen meine Nähe unangenehm ist, muss ich mich entschuldigen. Kommt nicht wieder vor.»
    Sie atmete tief durch, sah ihn dann mit weicherem Gesichtsausdruck an. «Nein   … sie ist mir nicht unangenehm. Aber   …»
    Er nickte ernst. «Verstehe.» Er hielt kurz inne. «Ich hoffe nur, da ist ein Teil von Ihnen, der nicht denen gehört.»
    Sie erwiderte pikiert: «Es war
meine
Entscheidung, meinem Land zu dienen.» Sie wandte sich wieder ab. «Sie wissen nichts über mich.»
    «Seien Sie sich da nicht so sicher.»
    Sie blieb stehen, drehte sich wieder um und starrte ihn an. «Was soll das heißen?»
    «So schwer sind Sie nicht zu dechiffrieren, Dr.   Philips.»
    «
Ach?
Also, lassen Sie hören   …»
    «Okay. Wunderkind – allen um sie herum meilenweit überlegen – nie richtig integriert. Ihre Klassenkameradinnen waren immer ein ganzes Stück älter als Sie, also haben Sie nie die sozialen Fähigkeiten erworben, aus denen feste Freundschaften erwachsen. Sie führen ein isoliertes Leben, das von Ihrer ultrageheimen Arbeit bestimmt ist. Einer Arbeit, über die Sie nie mit jemandem reden können – nicht mal mit Ihren Arbeitskollegen.»
    Diese letzte Bemerkung ließ sie gereizt die Arme verschränken.
    «O ja, Ihre Arbeit – zu wichtig, um Nähe zu einem Menschen zu riskieren. Aber kommt es der Wahrheit nicht näher, dass Sie die Männer einschüchtern? Ihre Intelligenz jagt ihnen allen eine Heidenangst ein, stimmt’s? Sagen Sie mir doch mal die Quadratwurzel von 393   447.»
    «Okay, ich habe Sie verstanden.»
    «Wissen Sie’s nicht?»
    «Dreiundsiebzig Komma zwo-sieben-sechs.»
    «Bitte, da haben Sie’s. Wie viele Beziehungen hat es Sie gekostet, dass Sie Ihre Intelligenz nicht verbergen können?»
    «Das reicht.»
    «Mich schüchtern Sie nicht ein, Nat.»
    Sie starrte ihn an. «Wenn Sie wüssten, was ich alles aufmich genommen habe, um Sie zu schützen. Sie können mir wahrhaftig keine Gleichgültigkeit unterstellen. Aber ich kann Sie nicht schützen, wenn Sie mir nicht vertrauen. Wie heißen Sie wirklich? Wer
sind
Sie?»
    Ross schien ernsthaft mit der Frage beschäftigt. Er starrte auf die Tischplatte, sichtlich hin- und hergerissen. Nach einer knappen Minute stand er schließlich auf und machte sich wieder ans Aufsammeln der Papiere. «Tut mir leid wegen der Unordnung.»
    «Sie können mich mal.» Sie ging in Richtung Tür.
    Er sah auf. «Ich war zwölf, als sie meinen Vater holten.»
    Philips blieb wieder stehen.
    «Ich weiß noch, wie meine Mutter unten schrie. Ich rannte raus, als sie meinen Vater gerade in ein Auto stießen. Unser Chauffeur hielt mich zurück. Mein Dad sah mich durchs hintere Seitenfenster an. Und wissen Sie, was er gemacht hat? Er hat mir zugezwinkert und gelächelt.»
    Ross hing einen Moment der Erinnerung nach. «Er fehlt mir so sehr, Nat. Er ist bereitwillig mitgegangen, damit wir lebend davonkamen. Ich bemühe mich jeden Tag, der Mann zu sein, den er mich hätte werden sehen wollen. Der Mann, den er mit Stolz seinen Sohn genannt hätte.» Er sah Philips an. «Wenn ich irgendjemandem auf der Welt gern meinen Namen sagen würde, dann Ihnen. Aber ich werde nie wieder einer Regierung trauen, Nat. Wenn sie meine Identität kennen würden, würden sie das benutzen, um sich an den Menschen zu vergreifen, die mir etwas bedeuten. Und ich werde Sie nicht in die Situation bringen, zwischen Ihrer Zukunft und mir wählen zu müssen. Dass es

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