DAEMON
wollte nicht denken, was sie dachte.
Die Frau winkte sie zu sich.
Anderson holte tief Luft und ging, so gefasst wie irgend möglich, auf die beiden zu. «Was soll das alles?»
Die Frau streckte ihr die Hand durchs Torgitter entgegen. Es war wie Besuchszeit im Staatsgefängnis. Anderson ließ sich zu einem kühlen Händedruck herab. «Ms. Anderson, ich bin Josephine Curto von der Personalabteilung. Ihr vertraglicher Status beim Sender hat sich geändert.»
«Meine Agentin handelt gerade eine Vertragserneuerung aus. Die Frist läuft erst in fünf Wochen ab.»
«Ja, richtig, aber diese Verhandlungen sind beendet. Der Sender hat beschlossen, Ihren Vertrag nicht zu erneuern. Bitte verstehen Sie, diese Entscheidung kommt von ganz oben. Ich bin nur die Überbringerin. Wir dachten, Ihre Agentin hätte Sie bereits informiert.»
Anderson fühlte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen, atmete aber tief ein und drängte sie wieder zurück. Sie wandte das Gesicht ab, drückte ihre Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger zusammen und bedachte dann Curto mit einem giftigen Blick. «
So
teilen Sie mir mit, dass ich gefeuert bin? Ich stehe hier auf der Straße wie eine Landstreicherin. Bin ich denn so eine Gefahr? Was glauben Sie, was ich tun werde – den ganzen Laden zusammenballern?»
Curto klemmte ungerührt Papiere in ein Klemmbrett. «Darum geht es nicht. Sie sind dem Studiopersonal bekannt und haben Zugang zu einer Live-Fernsehsendung. Sie können doch sicher verstehen, dass der Sender Sie in dieser schwierigen Situation nicht auf Sendung gehen lassen möchte.»
«Schwierige Situation?» Anderson versuchte mehrmals vergeblich, in Worte zu fassen, was in ihr vorging. Wieder drohten ihr die Tränen zu kommen. Schließlich sagte sielahm: «Ich habe Fans. Haben Sie mal auf meine Homepage geschaut? Es gibt eine Menge Männer und Frauen in Marin und Oakland und Walnut Creek – Leute, die mir Heiratsanträge machen. Wie wollen Sie denen mein plötzliches Verschwinden erklären?»
«Diese Frage kann ich Ihnen beim besten Willen nicht beantworten.»
«Sie sollten mich noch eine Abschiedssendung machen lassen.»
«Lifestyle-Journalistinnen kriegen keine Abschiedssendungen, Ms. Anderson.»
«Und Jim McEwen? Für den gab es eine große Abschiedsgala, als er in den Ruhestand gegangen ist.»
«Jim war der Anchorman. Er war zweiunddreißig Jahre beim Sender. Sie waren gerade mal sechs Jahre hier.»
«So behandelt man keine talentierten Leute.»
«Das steht hier wohl kaum zur Debatte.»
Anderson wurde klar, dass Curto sich alles leisten zu können glaubte, weil sie auf der anderen Seite des Gitters stand. Sie holte noch einmal tief Luft und versuchte sich zu fassen. «Kann ich wenigstens nochmal rein, um mich von Jamie und Doug und den anderen zu verabschieden?»
«Ach, schauen Sie, diese ganze Diskussion bringt doch nichts.» Sie streckte das Klemmbrett und einen Stift durchs Torgitter. «Wenn Sie das hier bitte unterschreiben würden.»
Anderson starrte sie nur empört an. «Ich unterschreibe gar nichts.»
«Sie möchten doch Ihre persönlichen Dinge haben, oder?»
«Meine persönlichen Dinge? Heißt das, Sie haben mein
Büro
ausgeräumt?»
«Anji, was glauben Sie, mit wem Sie es zu tun haben? Wir sind ein großes Unternehmen mit weltweiten Aufgaben. Ihr Büro auszuräumen war kein Racheakt. Es war das ganz normaleProcedere. Jetzt unterschreiben Sie diese Papiere hier, damit wir es hinter uns bringen. Das hier macht mir so wenig Spaß wie Ihnen.»
Anderson schnappte sich Klemmbrett und Stift. Sie klatschte das Brett genau vor Curtos Gesicht gegen das Gitter und begann, die Krankenversicherungs- und Altersversorgungspapiere durchzulesen. Sie fühlte sich öffentlich zur Schau gestellt, hier vor diesem Gittertor, wo sie jeder sehen konnte. Die Grips und Kameraleute, die durch das Haupttor fuhren, starrten herüber. Diese Demütigung war unerträglich. Jemand wollte sie bestrafen. Aber wer?
Schließlich unterschrieb sie einfach alle Papiere ungelesen und steckte das Klemmbrett wieder durchs Gitter.
«Wir schicken Ihre persönlichen Dinge zu Ihnen nach Hause.»
Anderson ging schnell davon, weil sie es eilig hatte, in ihrem Wagen unterzutauchen.
«Ms. Anderson. Mein Stift.»
Anderson war Startwerferin des Studentinnen-Softballteams der Universität von Wisconsin gewesen. Sie blieb stehen, drehte sich um und feuerte den Stift mit aller Kraft auf das eiskalte Luder von Personalchefin. Er traf die Frau mitten
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