DAEMON
auf die Brust. Wäre es ein Montblanc gewesen, hätte sie gejapst. Aber es war nur ein Bic, und sie wich einen Schritt zurück.
«Das war wirklich nicht nötig!»
Anderson stapfte davon, und in ihrem Kopf spulten sich im Schnellvorlauf all die schlimmen Dinge ab, die jetzt zweifellos folgen würden. Jemand hatte unter einer Brücke ihrer Erfolgsstraße eine Dynamitladung hochgehen lassen. Damit hatte sie überhaupt nicht gerechnet. Verdammte Terroristenschweine.
Im Geist ging sie ihre Freunde durch. Sie waren allesamtim T V-Business oder hatten zumindest irgendwie damit zu tun. Wer konnte ihr einen guten Job bei einem anderen Sender verschaffen? Wenn nicht in San Francisco, wo dann? Nicht wieder Madison, Wisconsin, bitte, lieber Gott.
Dann ging ihr auf, dass Melanie sie nicht vorgewarnt hatte. Dieses Aas hatte sie voll ins Messer der öffentlichen Demütigung laufen lassen. Anderson zog ihr Handy heraus und wählte die Kurzwahlnummer ihrer Agentin. Es klingelte dreimal, dann ging der AB dran.
«Sie sind mit dem Büro von Melanie Smalls verbunden. Mrs. Smalls ist momentan nicht zu sprechen. Um ihren Assistenten, Mr. Jason Karcher, zu erreichen, wählen Sie bitte die Durchwahl – 3349.»
Anderson drückte die angegebenen Ziffern.
«Büro Melanie Smalls. Was kann ich für Sie tun?»
«Jason, hier ist Anji Anderson. Stellen Sie mich zu Melanie durch.»
«Hi, Ms. Anderson. Melanie spricht gerade auf der anderen Leitung. Möchten Sie warten?»
«Hören Sie, ich stehe hier vor KTLZ, und die haben mich aus dem Sender ausgesperrt. Stellen Sie mich verdammt nochmal zu Melanie durch.»
«Okay. Moment bitte.»
Anderson war jetzt bei ihrem Wagen und drückte die Fernbedienung. Sie stieg ein und wischte ihre verschmierte Wimperntusche weg, während Barry Manilow sie auf der Warteleitung folterte. Mit jeder Strophe von
Looks Like We Made It
wuchs ihr Zorn.
Endlich meldete sich Melanie: «Anji, was gibt’s?»
«Ich bin gerade am Zufahrtstor zum Sender gefeuert worden – die totale öffentliche Demütigung. Josephine Curto sagt, Sie hätten gewusst, dass mein Vertrag nicht erneuert wird.»
«Wer zum Teufel ist Josephine Curto?»
«So eine miese Lakaiin aus der Personalabteilung.»
«Anji, wir stehen immer noch in Verhandlungen mit dem Sender, und mir hat niemand gesagt, dass irgendeine Entscheidung gefallen sei. Der Ball war immer noch bei Kahn.»
«Josephine hat mir eben erklärt, meine Agentin wisse Bescheid, Melanie. Ich habe gerade die Entlassungspapiere unterschrieben!»
«Ach, die weiß doch nicht, was sie redet. Und was heißt, Sie haben gerade Entlassungspapiere unterschrieben? Wie kommen Sie dazu, irgendwelche Papiere zu unterschreiben?» Melanies Stimme war jetzt fern und gedämpft. «Jase, schauen Sie mal nach dem Faxgerät.»
Anderson fing wieder an zu weinen. Sie schlug mit der Hand aufs Armaturenbrett – aus Ärger über ihre Unbeherrschtheit. «Verdammt nochmal, Melanie. Warum hatte ich keine Ahnung? Wen zum Teufel hat der Sender als Ersatz für mich angeheuert?»
«Nehmen Sie’s nicht so tragisch. Wir werden sehen, ob wir Sie beim E-Channel unterbringen können oder –»
«Nein! Halt! Ich versuche jetzt seit sechs Jahren, einen ernsthaften Nachrichtenjob zu kriegen. Ich kann es mir nicht leisten, noch mehr Softnews zu machen. Ich bin Journalistin, Himmelherrgott, kein verflixtes Fashion-Model.»
Schweigen am anderen Ende.
«Hallo?»
«Ich bin noch dran. Anji, dafür haben Sie nicht die nötigen Credentials. Sie sind keine Journalistin, Schätzchen. Nicht wirklich. Und von ernsthaftem Journalismus haben Sie nichts gesagt, als wir Sie an den Filialsender in San Francisco vermittelt haben.»
«Mir ist bewusst –»
«Ihnen ist bewusst, dass Sie über dreißig sind und dass Softnews etwas für vierundzwanzigjährige News-Models sind.»
«Genau.»
«Das ist ein Problem.»
«Nein, es ist eine Herausforderung.»
«Anji, was Sie da sagen, heißt, wieder bei null anzufangen und sich nochmal ganz neu zu erfinden. Nein, in Wahrheit bedeutet es, bei minus eins anzufangen, weil Sie bereits als Mode- und Lifestyle-Reporterin bekannt sind – was heißt, Sie haben das journalistische Gewicht einer britischen Boulevard-Gazette. Das wäre eine sehr mühsame Sache, und in meinem Alter habe ich keine Lust mehr auf mühsame Sachen.»
Anderson suchte nach Worten. Alles ging mit so rasantem Tempo in die Binsen.
«Schätzchen, Sie sind zu alt für ein Volontariat als ernsthafte
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