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DAEMON

DAEMON

Titel: DAEMON Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Suarez
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irgendwo eintippte, würde dann die Monte-Cassino-Map wieder erscheinen?
    Gragg stand auf und wickelte sich in die kratzige, stinkige Decke. Ging dann zu seinem Computertisch hinüber. Vier Desktops und zwei Laptops liefen dort noch. Ein Computer verglich die Zeichenkette unter Verwendung mehrerer Standard-Entschlüsselungsalgorithmen mit einer Wörterbuchdatei. Er starrte auf die Zeilen, die im Debug-Fenster vorbeisausten, und lachte.
    Das war lächerlich. Mit all den Permutationen einer 3 2-Zeichen -Kette konnte es tausend Jahre dauern.
    Er dachte ein Weilchen darüber nach. Er konnte ein paar Dutzend Zombie-Rechner zusammenspannen und die Arbeit auf sie verteilen. Er schüttelte den Kopf. Da müsste er zuerst das Programm schreiben, um die Arbeit zu verteilen – und es würde trotzdem noch zu lange dauern. Hundert Jahre oder so? Und wenn das Ergebnis gar kein richtiges Wort war? Wie konnte er eine erfolgreiche Entschlüsselung erkennen? Er kannte doch nicht einmal den Verschlüsselungsalgorithmus.
    Er warf die kratzige Decke ab und setzte sich an eine Tastatur. Er hatte die Foren abgeklappert, aber das Nächstliegendehatte er nicht getan: es per Google-Proxy zu versuchen. Er startete einen Web-Browser, in der Absicht, die URL von Hand einzugeben. Vielleicht gab es ja irgendwo eine Website dazu.
    Gragg erstarrte, als die Startseite des Browsers erschien. Es war ein populäres Nachrichtenportal, und rechts standen die aktuellen Nachrichten. Die oberste Schlagzeile schrie ihn an:
    Totes Computergenie ermordet acht Menschen.
    Gragg klickte auf den Link, und eine umfassende Nachrichtenzusammenstellung über die Belagerung des Sobol-Anwesens erschien. Begierig las er jedes Wort und folgte jedem Link. Eine Stunde später war er wieder hellwach, und ein Nachrichtenhalbsatz hallte in seinem Kopf nach: «…   Matthew Sobol, Computerspiele-Designer und Schöpfer der KI von
Over the Rhine

    Dieser Sobol war ein Genie gewesen. Mehr als ein Genie. Gragg war kaum je von Hacks anderer Leute beeindruckt – aber dieser Sobol war der King. Einen Daemon zu entwickeln, der Rache an der Welt übte, wenn man selbst tot und vor jeder Strafe geschützt war! Graggs Gehirn begann sofort, die Möglichkeiten durchzuspielen. Sie waren unendlich.
    Wie viel Geld Sobol wohl darauf verwandt hatte? Die ganze Planung! Und der Daemon war immer noch am Werk. Die Feds schafften es nicht, ihn zu stoppen. Das hörte man aus den schmallippigen Erklärungen der Behördensprecher heraus.
    Gragg überkam eine Gänsehaut. Es war ein Gefühl, als eröffnete sich ihm eine ganz neue Welt. War das mit der Monte-Cassino-Map nur Zufall? Sie war in den letzten paar Tagen aufgetaucht – erst nach Sobols Tod.
    Aber sicher wusste er das ja nicht. Vor dem Fiasko mit den Filipinos war er anderweitig beschäftigt gewesen.
    Aber es konnte doch eigentlich unmöglich ein Zufall sein?
    Für Gragg stand jetzt endgültig fest, dass er den verschlüsselten Text dechiffrieren musste. Er würde seinen klaren Verstand nie wiederfinden, solange er nicht mehr über die Monte-Cassino-Map und über Sobols Daemon wusste. Vielleicht tat sich ihm da ja wirklich etwas ganz und gar Unglaubliches auf – Neuland in einer Welt aus Routinehacks, Polizeifangarmen und tristen Vorstadtszenerien. Wie lange war es her, dass etwas seine abgestumpfte Seele mit erregtem Staunen erfüllt hatte? Jetzt hatte er dieses Gefühl. War Monte Cassino Sobols Werk?
    Gragg führte eine Websuche nach Monte Cassino durch und erhielt eine Unmenge Treffer – die sich alle auf den Zweiten Weltkrieg bezogen. Also suchte er nochmal, diesmal mit
Over the Rhine
als zusätzlichem Kriterium. Das ergab immer noch rund siebenhundert Treffer, ebenfalls alle zu historischen Inhalten, da die Invasion in Italien ja letztlich Deutschland zum Ziel gehabt hatte.
    Gragg blickte von seinem Laptop auf und starrte auf das Debug-Fenster eines Desktop-PCs, in dem die Ergebnisse seines Versuchs mit dem Entschlüsselungsprogramm durchrollten. Sie erschienen etwa im Millisekundenabstand und bestanden entweder in Zeichensalat oder in den Worten «ungültige Daten». Er seufzte, weil ihm aufging, dass es sich um so etwas wie eine anwendereigene Triple-Des-Verschlüsselung handeln konnte, bei der der Ersteller die Botschaft mehrfach verschlüsselte. Hatten die Russen nicht bei ihren Verona-Papieren so was gemacht? Gragg sah seine Bemühungen von einem Treibsandmeer verschlungen. Würde er ins Grab steigen, ohne dieses Rätsel gelöst

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