DAEMON
Sergeant. Stehen Sie immer so früh auf?»
«Das Gleiche könnte ich Sie fragen.» Sebeck faltete die Zeitung zusammen und warf sie so auf die Motorhaube, dass Ross sie sehen musste. Die Schlagzeile verkündete
«Zweites Massaker auf Sobol-Anwesen»
in einer Schriftgröße, die normalerweise für Werbeanzeigen und Kriegsausbrüche reserviert war.
Ross nahm die Zeitung nicht auf. «Ich lebe in der westlichen Hemisphäre, da hätte mir das kaum entgehen können.»
Sebeck tippte mit einem dicken Zeigefinger auf eine kleinere Meldung auf der Titelseite.
Ross neigte den Kopf zur Seite und las
«Sobol-Beisetzung heute».
Er sah wieder Sebeck an.
Sebeck zeigte auf Ross’ Anzug. «Heute im dezenten Trauerlook, was?»
Ross war verblüfft. Dem Cop entging nichts. Ross legte die Förmlichkeit ab und nickte geständig. «Kam mir komisch vor – dass er öffentlich aufgebahrt werden wollte. Er scheint mir nicht gerade der religiöse Typ gewesen zu sein.»
«Kann man so sagen. Und warum wollten Sie mich abschütteln, indem Sie sich so früh davonmachen?»
Ross blickte auf den Parkplatzasphalt und drückte mit der Hand rhythmisch den Schulterriemen seiner Laptoptasche zusammen. «Ich will nicht, dass mein Name in den Nachrichten auftaucht.»
Sebeck dachte darüber nach. «Ist das der entscheidende Punkt? Sie haben Angst vor Sobol?»
«Da ich nun mal I T-Consultant bin, könnte mich Sobol für eine Bedrohung halten.»
Sebeck nickte. «Okay. Wir werden unsere Zusammenarbeit geheim halten, aber wenn Sie sowieso weiter hinter Sobol her sind, bedenken Sie: Ich kann Ihnen Türen öffnen – und Sie mir.»
Wieder sog Ross die Morgenluft tief ein, während er diesesAngebot auf sich wirken ließ. «Was hoffen Sie denn herauszufinden, was das FBI nicht herausfinden könnte?»
«Das frage ich
Sie
.»
Sie starrten sich ein Weilchen an, bis Ross nickte. «Wer weiß, dass ich mit Ihnen zusammenarbeite?»
«Die bessere Frage ist: Wen interessiert das inmitten dieses ganzen Wahnsinns?»
«Bitte, Pete.»
«Das FBI weiß es – aber es würde mich erstaunen, wenn Trear heute Morgen auch nur einen Gedanken darauf verschwenden würde. Die haben letzte Nacht ein Geiselrettungsteam verloren.»
«Ich werde mich nicht mit den I T-Forensikern vom FBI treffen. Sagen Sie Trear, ich hätte gekniffen.»
«Kein Problem.» Sebeck sah ihm in die Augen. «Sie haben die Sache dort draußen auf dem Anwesen richtig eingeschätzt. Sie müssen mir sagen, was Sobol als Nächstes vorhat.»
«Darüber habe ich die ganze Zeit nachgedacht.»
«Und was ist dabei herausgekommen?»
«Nichts.» Ross öffnete seinen Kofferraum und ging nach hinten, um seinen Laptop zu verstauen.
«Das ist alles, was Ihnen dazu eingefallen ist? Nichts?»
«Alles, womit wir es bisher zu tun hatten, war ein Ablenkungsmanöver. Trara, um uns in Atem zu halten. Gestern Abend war ich im Internet, um mich mal umzuhören, was in den Schenken von Gedan geredet wird – weil ich ganz vergessen hatte, dass die Feds ja die Serverfarm von Cyberstorm stillgelegt haben.»
«In den Schenken von Gedan?»
«Das ist die größte Hafenstadt von Cifrain – einem Königreich im CyberStorm-Spiel
The Gate
.»
Sebeck sah ihn nur ratlos an.
«Vergessen Sie’s. Der Punkt ist:
The Gate
läuft munter weiter, Pete.»
«Moment mal – das ist doch unmöglich. Die Server sind noch immer stillgelegt.»
«In Kalifornien schon. Aber CyberStorm Entertainment unterhält genau für diesen Fall einen Spiegelserver in China. Dem können unsere Behörden hier nichts anhaben. CyberStorm drohten Umsatzverluste von einer Million Dollar täglich, also haben sie auf ihren Spiegelserver umgestellt und bei einem Bundesgericht Klage gegen das FBI erhoben.»
«Klage?
Weswegen?
»
«Wegen Geschäftsschädigung.»
«Das wird der Richter abweisen.»
«Seien Sie sich da nicht so sicher. CyberStorm ist eine hundertprozentige Tochter eines multinationalen Konzerns. Die haben ganz schön viel politischen Einfluss.»
«Und darüber wird in den Schenken von Gedan geredet?»
«Nein, das habe ich aus der Online-Ausgabe des
Wall Street Journal
. In Gedan reden alle nur über den plötzlichen Tod des Wahnsinnigen Kaisers.»
Sebeck zog eine Grimasse. «Wahnsinniger Kaiser? Das haben die ja richtig erkannt.»
«Tja, heute ist jedenfalls die Beisetzung.»
«In der realen Welt oder in der künstlichen?»
«Sowohl als auch.»
Sebeck hob kapitulierend die Hände.
Ross fuhr unbeirrt fort: «Man rechnet mit einem
Weitere Kostenlose Bücher