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DAEMON

DAEMON

Titel: DAEMON Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Suarez
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LC D-Display und fragte sich, was er jetzt tun sollte.
    Plötzlich ließ ihn die Stimme wieder zusammenschrecken. «Sie haben sehr gut abgeschnitten, Mr.   Gragg, und das wird sich in Ihrem Rang widerspiegeln. Sie sind jetzt Gründungsmitglied einer Gruppe. Willkommen.»
    Die Stahltür neben der Konsole klackte, wich ein kleines Stück zurück, glitt dann lautlos zur Seite und gab den Blick in einen schummrig beleuchteten Raum frei. Gragg schnappte sich seinen Rucksack – die Pistole ließ er diesmal stecken. Selbstbewusst marschierte er durch die Tür.
    Dieser Raum war etwa zehn Meter tief und sieben Meterbreit. Er wirkte auf Gragg wie ein heidnischer Tempel. Vier Steinsäulen trugen die vergleichsweise niedrige, gewölbte Decke. Der Boden war aus poliertem Granit, und ein halbes Dutzend Sockel mit Kuppeln aus Chrom oder Edelstahl standen im Raum verteilt. Das Ganze war in sanftes, fast nicht wahrnehmbares weißes Licht getaucht.
    An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein Podest, auf dem ein breiter Plasmafernseher stand. Als Gragg darauf zuging, erschien auf dem Bildschirm ein Mann von Anfang bis Mitte dreißig. Seine Züge hatten etwas Raubvogelartiges, was durch die durchdringenden blauen Augen noch hervorgehoben wurde. Sein Haar war hellbraun und sorgsam gekämmt. In einem gestärkten Leinenhemd saß er ruhig und gelassen da, die locker verschränkten Hände vor sich auf dem Tisch – und sah Gragg genau ins Gesicht, als der sich dem Podest näherte.
    Als Gragg in einen Kreis trat, der in den Granitboden eingelegt war, begrüßte ihn der Mann mit einem feierlichen Nicken. Auch ohne die Fotos in den Fernsehnachrichten hätte Gragg ihn sofort erkannt. Es war Matthew Sobol. Gragg sank vor ihm auf die Knie. Zum ersten Mal im Leben begriff er, was eine Kathedrale war – ein psychischer Hack.
    Sobol war da vor ihm, überlebensgroß in perfekter, digitaler Klarheit. In einer Willkommensgeste breitete er die Arme aus.
    «Wenige haben geschafft, was du geschafft hast. Du bist ein außergewöhnlicher Mensch. Aber das weißt du ja.» Sobol ließ seine Worte wirken. «Im Leben hatte ich keinen Sohn. Aber im Tod werde ich einen haben. Was ich dich alles hätte lehren können, wärst du mein leiblicher Sohn! Wie stolz ich auf dich gewesen wäre!»
    Gragg kamen die Tränen. Er fühlte eine Stelle in seinem Inneren aufbrechen, die er längst vergessen hatte. Erinnerungen an seinen Vater und an lange Jahre des Ringens um Anerkennung,die ihm nie zuteilgeworden war, stiegen aus den Tiefen seiner Seele empor.
    Sobol fuhr fort: «Ich wollte, ich hätte dich kennenlernen können – dich, der du meine Augen, Ohren und Hände sein wirst. Meine wachsende Macht wird durch dich hindurchfließen. Ich werde dich beschützen. Wie jeder Vater seinen geliebten Sohn beschützt.»
    In Sobols Augen sah Gragg den Respekt und die Empathie, die er immer gesucht hatte. Das Einverständnis damit, wer und wie er war. Zu Hause. Endlich war Gragg zu Hause. Er weinte ganz offen. Zum ersten Mal im Leben erfüllte ihn Freude. Nichts anderes zählte mehr für ihn.
    Sobol sah ihn an. «Ich möchte dich so vieles lehren   …»

20   Wenn Tote sprechen
    Es war ein perfekter Herbstmorgen. Nebel lag auf den Hügeln, der gewöhnlich bis zum mittleren Vormittag weggesengt war. Vor der glühenden Scheibe der Sonne zeichneten sich Schlangen von SUVs ab, die auf dem Freeway 101 südwärts strebten. Hunderttausende von Rasensprengern ließen einen erdigen Geruch aufsteigen, und ein stetes Rauschen wie von Wasserfällen oder Wind in Bäumen drang vom Freeway her durchs Valley. Südkalifornien bootete für einen neuen Tag – solange das Stromnetz mitmachte.
    Jon Ross ging zügig über den Parkplatz seines Hotels, in einem tadellosen schwarzen Nadelstreifenanzug mit grauer Seidenkrawatte, den Riemen seiner Lederlaptoptasche über der Schulter.
    Ross wohnte am liebsten in Residence-Inns wie diesem. Da hatte man in der Regel einen oberirdischen Parkplatz und direkten Zugang zu seiner Suite. Es war mehr wie ein normales Apartment, weniger wie ein Hotel. Er fühlte sich schon fast wie ein Einwohner von Woodland Hills. Er atmete tief ein, genoss die frische Morgenluft. War das Jasminduft?
    Ross blieb abrupt stehen.
    Detective Sebeck lehnte an Ross’ silbernem Audi, schlürfte Kaffee aus einem Styroporbecher und las den
Ventura Star
. Er blickte nicht einmal auf. «Morgen, Jon.»
    Ross ging weiter auf seinen Wagen zu, jetzt jedoch langsamer. «Guten Morgen,

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