Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)
»Was hält dich in Lorindar, jetzt, wo deine Königin tot ist?«
Zum Schutz vor dem Wind zog Talia den roten Umhang fester um sich. »Lorindar ist meine Heimat. Die einzige, die ich habe.«
»Und ich bin sicher, deine Gefühle für Schnee haben nichts damit zu tun.«
Talia wurde es warm im Gesicht, was Hephyra ein leises Lachen entlockte.
»Sie ist ziemlich verknallt in dich, musst du wissen.«
»Was?« Das Wort kam lauter heraus, als Talia es gewollt hatte. »Schnee hat nie …«
»Nicht Schnee. Ich habe es in dem Moment gespürt, als sie an Bord gekommen ist. Fast magisch, ihr Verlangen nach dir.«
Gerta! Talia schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich. Sie ist nicht …« Sie fing sich gerade noch. Sie hatten Hephyra nicht alle Einzelheiten über Gertas Herkunft mitgeteilt. »Sie kennt mich nicht einmal.«
»Manchmal ist das etwas Gutes. Verleiht der Sache etwas Geheimnisvolles.«
Talia schwieg.
»Ach Talia! Männer haben getötet für die Chance, das Bett mit mir zu teilen, aber du gibst mir einen Korb. Die junge Gerta schmachtet nach dir, und du beachtest sie kaum.« Hephyra seufzte. »Du bist wie eine Bettlerin, die auf einem Bankett auftaucht und auf Schwan in Aspik hofft. Du ignorierst das Festessen, das rings um dich aufgetischt wird, und verhungerst, während du darauf wartest, dass dieser Schwan endlich kommt.«
»Ich verhungere nicht!«, sagte Talia, etwas zu scharf.
»Natürlich nicht. Du hast ja einen Monat lang von deiner Freundin Faziya gegessen, nicht wahr?«
Talias Gesicht wurde heiß, und Hephyra lachte.
»Ich weiß alles, was auf meinem Schiff vor sich geht, schon vergessen? Dazu gehört auch, wie du und deine Freundin eure Zeit auf der Rückreise von Arathea verbracht habt.«
»Faziya ist sechs Wochen geblieben, nicht einen Monat«, erwiderte Talia leise. Sie hatten beide gewusst, dass es nicht von Dauer sein würde. Faziyas Zuhause war in Arathea, dem einen Ort, wo Talia nicht hingehen konnte.
»Und du hast die Zeit, die ihr hattet, weidlich ausgenutzt.« Hephyra klopfte ihr auf die Schulter. »Daran ist nichts Verwerfliches. Du warst glücklich. Ihr beide wart glücklich. Wieso willst du nicht zulassen, dass du wieder glücklich bist?«
»So einfach ist das nicht.« Gerta war nicht einmal ein Mensch … nicht dass sie damit gerechnet hätte, dass solche unbedeutenden Einzelheiten Hephyra gestört hätten. »Gerta … sie ist jünger, als sie aussieht.«
»Für mich sieht sie reif genug aus.«
Talia boxte ihr auf die Schulter und zuckte zusammen. Auch mit der zusätzlichen Kraft und Stärke des Wolfsfells war es, als hätte sie gegen einen Baum geschlagen.
Hephyras Gesichtsausdruck wurde uncharakteristisch sanft. »Wie lange hast du vor, auf sie zu warten?«
»Talia!« Danielle kam auf sie zugeeilt und rettete sie damit vor einer Antwort. »Wir sind so weit!«
Hephyra schnalzte mit der Zunge. »Ich bleibe dabei: Es ist verrückt.«
Talia war sich nicht sicher, ob die Dryade sich auf ihren Plan zur Rettung Jakobs oder Talias Gefühle für Schnee bezog. So oder so, es fiel ihr schwer, dagegen etwas einzuwenden.
»Es wurde aber auch langsam Zeit!« Talia schnürte ihre Stiefel auf, zerrte sie sich von den Füßen und warf sie beiseite. Ihre Waffen übergab sie Danielle, alle bis auf ein Paar Dolche und ihre Zaraqpeitsche.
»Dieser Umhang wird dich runterziehen«, sagte Gerta. Talia hatte gar nicht gemerkt, dass sie heruntergeklettert war und sich zu ihnen gesellt hatte.
Talia zeigte mit dem Daumen auf Danielle. »Genau aus dem Grund werden auch ihre Freunde das eigentliche Schwimmen übernehmen.«
Hephyra befahl, alle Laternen bis auf eine, die am Großmast hing, zu löschen. Talia konnte kein Zeichen von Schnees Schiff am Horizont erkennen, aber wenn Danielles Delfine sagten, dass sie dicht hinter ihr waren … »Ich hoffe, deine übergroßen Fische wissen, was sie tun.«
»Sie werden dich zu Schnees Schiff bringen und hinterherschwimmen, bis du mit Jakob herauskommst.«
Talia band sich die Haare zurück. »Sie wissen schon, dass ich atmen muss, ja?«
»Ich werde sie noch mal daran erinnern«, versprach Danielle.
»Das Wasser ist eiskalt«, sagte Gerta.
Talia strich mit der Hand über ihren Umhang. »Das Wolfsfell dürfte helfen.«
»Das reicht nicht!« Gerta eilte zum Großmast und kletterte gerade so hoch, dass sie an die Laterne kam. Sie streckte die Hand aus und malte mit dem Finger einige Symbole aufs Glas. Talia zuckte zusammen, aber die Hitze schien sie
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