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Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)

Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)

Titel: Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim C. Hines
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gingen, bis das Tier auf einmal unvermittelt einen Salto drehte, der sie um ein Haar abgeworfen hätte. Der Körper des Delfins spannte sich und katapultierte sie nach oben. Einen Moment, bevor sie die Oberfläche durchbrachen und in die Luft schossen, wurde Talia der Sinn des Manövers klar.
    Nur ein bisschen näher und sie wäre mit dem Schädel gegen das Boot gekracht. Es gelang ihr, sich an der Dolle festzuhalten, bevor der Delfin wieder zurück ins Meer fiel. Das Boot schaukelte und schlug einmal gegen den Rumpf der Lynn’s Luck, ehe Talia sich stabilisieren konnte. Sie wartete, aber es kam niemand, um dem Geräusch auf den Grund zu gehen.
    Talia hievte sich hoch und ergriff eines der Taue, mit denen das Boot am Schiff befestigt war. Ohne die zusätzliche Kraft, die ihr das Wolfsfell verlieh, hätte sie es niemals geschafft. Sie kletterte höher und tat dabei ihr Möglichstes, die Fenster zu umgehen, die ins Heck des Schiffes gebaut waren. Sie horchte noch einmal, dann zog sie sich zur Reling hoch und auf das Deck der Lynn’s Luck.
    Sie duckte sich tief und zog einen Dolch aus der Scheide. Ein einzelner Matrose stand auf der Rah über ihr und arbeitete ohne jedes Licht außer dem des Mondes. Talia schlich zur Nagelbank am Fuß des Besanmasts.
    Andere Schatten krabbelten durch die Schoten oder waren auf dem Hauptdeck beschäftigt. Angesichts des Fehlens jeglichen Lärms hätte man die Lynn’s Luck auch für ein Geisterschiff halten können: Kein einziger Matrose sprach.
    Talia schnupperte in der Hoffnung, Jakobs Witterung aufnehmen zu können. Den Umhang zu wenden und sich ganz ins Wolfsfell zu hüllen würde die Sinne des Raubtiers weiter schärfen, aber die Transformation war alles andere als subtil. Für den Augenblick war es wohl besser, Mensch zu bleiben. Sie witterte noch einmal, roch aber nur nasses Segeltuch, geöltes Holz und das Salz der See.
    Talia schlich sich an den Rand des Decks und spähte hinunter. Am Ruder stand ein stämmiger Mann. Aber wo war Schnee? Ob Dämonen Schlaf brauchten?
    So, wie sie Schnee kannte, hatte sie sich bestimmt aus der Kälte zurückgezogen und die luxuriöseste Kabine für sich requiriert – das hieß, eine der Kabinen im hinteren Teil des Schiffes, fast genau unter der Stelle, wo Talia sich im Augenblick befand. Die Chancen, dass Jakob bei ihr sein würde, standen nicht schlecht.
    Talia zählte wenigstens zwanzig Besatzungsmitglieder. Tief aus dem Innern ihrer Brust stieg ein Knurren auf. Sie könnte sich durchs Schiff bewegen und sie einen nach dem anderen töten, bevor sie überhaupt merkten, dass sie an Bord war.
    Talia biss die Zähne zusammen. Dies waren die Triebe des Wolfs, nicht ihre eigenen. Das hier waren Opfer, keine Schurken; Männer, die für ihre Taten genauso wenig verantwortlich waren wie Prinz Armand, als er Danielle beleidigt hatte.
    Ihn hatte Talia auch verprügeln wollen.
    Sie brauchte eine Ablenkung, etwas, um Schnee lange genug aus ihrer Kabine zu locken, sodass Talia sich hineinschleichen und den Prinzen finden konnte. Talia nahm das Messer in die Linke und zog einen Belegnagel aus der Reling. Sie wog ihn kurz in der Hand, um die Balance zu testen, und lehnte sich dann zurück, um den Matrosen zu beobachten, der in der Fockrah arbeitete. Er bewegte sich vom Mast aus nach draußen und stellte die Segel ein.
    Talia schätzte den Wind ab, dann warf sie. Der Holznagel flog übers ganze Schiff und traf den Mann an der Schulter. Er kippte nach vorn und stürzte lautlos ins Meer.
    Talia kauerte sich hinter den Mast. Wäre dies ein normales Schiff gewesen, hätte der Mann aufgeschrien und die halbe Besatzung wäre inzwischen dabei, ihn zu retten. Stattdessen arbeiteten die Matrosen weiter, ohne etwas bemerkt zu haben. Aber wenn er mit einem Splitter von Schnees Spiegel vergiftet gewesen war, müsste diese seinen Sturz gespürt haben.
    Die Kabinentür unter Talia öffnete sich, und Schnee hastete übers Deck. Jetzt setzte sich die Mannschaft in Bewegung, um ihren Kameraden zu retten, und befolgte unausgesprochene Anweisungen, indem sie die Segel brasste und ein Tau über die Backbordreling warf.
    Talia ließ sich aufs Hauptdeck hinunter und schlüpfte in die Kabine. Eine einzelne Lampe brannte auf dem kleinen Schreibtisch, der am Boden festgeschraubt war. Das Schwingbett war gemacht, die Decken ordentlich am Fuß zusammengelegt. Entweder hatte Schnee das Bett hergerichtet oder sie hatte in letzter Zeit nicht geschlafen. So wie Talia Schnee kannte, tippte

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