Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)
entging dem Mast um Haaresbreite, als er aufs Deck krachte. Der Aufprall ließ das ganze Schiff erbeben, und eine Masse von Tauen fiel auf Schnee herab und presste sie mit dem Gesicht nach unten auf die Planken. Mehrere Matrosen brüllten vor Schmerz: Fallende Rahnocken und Mastteile hatten ihnen einige Knochen gebrochen. Der Mast hatte auch eine der Großmastrahen zerschmettert und den größten Teil der Takelage auf der Backbordseite zerfetzt.
Schnee wälzte sich herum und versuchte, sich einen Weg durchs Tauwerk zu bahnen. Die Taue der Phillipa waren zwar dünn, aber ihre schiere Masse hielt sie gefangen. Sie hieb mit dem Messer um sich und zerschnitt alles in Reichweite, dann zog sie sich hoch und fing an, auf Hephyra zuzukriechen. Die Dryade klammerte sich immer noch lächelnd am Großmast fest. Das Schiff war ihr Baum, der auf ihren Willen reagierte. Sie konnte sie alle versenken, wenn sie es wollte.
Wenn ihr die Zeit dazu blieb.
Schnee ließ ihre Magie in die Spiegelscherben in der Klinge ihres Messers strömen und warf. Einen Augenblick später lag Hephyra reglos auf dem Deck.
Schnees Atem trübte das Eis ihres Visiers, während sie die Schäden begutachtete. Als Segelschiff war die Phillipa nicht mehr zu gebrauchen: Das Gewicht des gebrochenen Masts krängte sie nach Backbord. Der Großteil der Mannschaft war damit beschäftigt, sich aus dem Durcheinander zu wühlen oder den Verletzten zu helfen, sich zu befreien.
Sie warf einen Blick auf den Hafen, von wo sich vier weitere Schiffe durch den Nebel näherten. »Na schön.« Sie zog das Messer aus Hephyras Hals und drehte es in der Hand. Das Eis begann zu schmelzen und formte sich zu Flügeln. Eine nach der anderen hoben die Wespen ab mit Flügeln, die von Hephyras Blut ins Rosa spielten. Ihr Messer hatte nicht so viele Bruchstücke enthalten, wie es ihr lieb gewesen wäre, aber es reichte, um den Rest der Mannschaft der Phillipa zu übernehmen.
Schnee stieg über die Trümmer des umgestürzten Masts. Sollten sie so viele Schiffe schicken, wie sie wollten – sie hatte jetzt selbst vier Schiffe. Die Phillipa lag zwar im Sterben, aber sie konnte Schnees Zielen immer noch dienen. Wenigstens eins der sich nähernden Schiffe würde längsseits gehen, um den Schaden zu begutachten und den Überlebenden zu helfen.
»Ihr habt mich verbannt«, flüsterte sie, als sie das Schiff verließ und zur Schneekönigin und ihren Spiegelscherben zurückkehrte. Ihr eigener Vetter hatte den Befehl unterschrieben, dass sie hinzurichten war, falls sie ihr Heimatland je wieder betreten sollte. Sie erinnerte sich an das falsche Mitgefühl in Laurences Stimme, als er ihr erzählte, was er getan hatte.
»Ich kann ihre Meinung nicht ändern« , hatte er gesagt. Sein blasses Gesicht war weich, die Augen schwarz umrändert. »Du hast die Königin getötet. Hast sie mit deiner Zauberkunst verbrannt.«
»Sie hat Roland ermordet!« , hatte Schnee sich mit tränenerstickter Stimme gerechtfertigt. Sie hatte damit gerechnet, zu sterben, darauf war sie vorbereitet gewesen. Stattdessen würde sie leben … aber sie würde nie wieder einen Fuß auf allesandrischen Boden setzen dürfen. »Sie hat versucht, mich zu ermorden!«
»Ich weiß. Aber das ist nicht genug. Sie hatte zu viele Verbündete.«
Verbündete wie Ollear Curtana und Eminio Perin. Laurence war zu schwach gewesen, um gegen sie zu kämpfen. In Wirklichkeit spielte es keine Rolle, wer auf dem Thron saß. Allesandria war schon immer ein Land gewesen, das von Gier und Feigheit regiert wurde.
Hinter ihr fing die Mannschaft der Phillipa an, die Kanonen wieder zu laden.
Kapitel 11
Talia stand im knöcheltiefen Schnee am Flussufer und betrachtete die skelettartigen Birken am anderen Ufer. »Du hast gesagt, du könntest die Hütte der Hexe finden, wenn wir erst einmal den Fluss erreicht haben.«
»Ich bin erst einmal hier gewesen.« Gerta ging am Ufer auf und ab. »Vielmehr war Schnee hier. Aber sie hat sich vorgestellt, ich wäre bei ihr gewesen. Um sich Mut zu machen. Sie war neun Jahre alt und fing endlich an, ein paar Gerüchten über unsere Mutter Glauben zu schenken, und folgte ihr in der Hoffnung, die Wahrheit zu erfahren. Mutter verließ die Hauptstadt und bewegte sich in östliche Richtung, indem sie dem Fluss folgte. Ich erinnere mich daran, dass Noitas Hütte in der Nähe des Ufers stand …«
»In der Nähe des Ufers welches Flusses?« Finster blickte Talia den zweiten, kleineren Fluss an, der schräg vom ersten
Weitere Kostenlose Bücher