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Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)

Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)

Titel: Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim C. Hines
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Talia überprüfte die Bäume, aber bis auf eine gelegentliche Krähe war der Wald ruhig.
    »Vielleicht ist sie nicht einmal ein Mensch«, sagte Schnee. »Vielleicht ist sie ja ein Monster, das vorhat, uns beide zu fressen!« Ihr Lachen verriet, dass sie das nicht ernsthaft glaubte, doch Gerta schien besorgt.
    Schnee und Gerta führten sie zu einer kleinen Lichtung an einer Biegung des Flusses. Hier war die Luft wärmer und der Schnee kaum mehr als eine dünne Kruste über den Ästen. Die Hütte war in einigem Abstand zum Wasser errichtet und wurde von einem dichten Kieferngehölz verborgen. Der Geruch nach Magie – wie altes Parfum, schal und widerlich – rief bei Talia ein Naserümpfen hervor.
    Schnee zerrte ihre Schwester hinter einen umgestürzten Baum. Als Talia ihren Blicken folgte, konnte sie so gerade eben eine schemenhafte Gestalt ausmachen, die sich der Tür zur Hütte näherte. In Gertas Erinnerung war Rose Curtana groß und imposant; sie hielt ihren Körper kerzengerade und das Kinn nach oben gereckt.
    Schnee wartete, bis ihre Mutter hineinging, und zog dann an Gertas Hand. »Komm, lass uns auf die Rückseite gehen! Vielleicht gibt es dort ein Fenster.«
    Gerta begann zu zittern. »Wir sollten weggehen!«
    »Sei nicht so ein Polatto!«
    »Polatto?«, flüsterte Danielle.
    »Morovanischer Slang für Feigling«, sagte Talia. »Es bedeutet Schwanzblitzer, nach den Rehen, die beim geringsten Geräusch davonlaufen.«
    Gerta zog die Hand weg. »Ich will nicht sehen, was da hinten ist!«
    »Ich gehe!« Schnee stand auf und trat unter den Bäumen heraus.
    Gerta hob die Stimme. »Schnee, bitte!«
    Talia ergriff Gerta an der Schulter. »Es ist nur eine Erinnerung.« Gerta starrte mit kugelrunden Augen durch sie hindurch. »Gerta, du hast die Hütte gefunden! Du kannst den Zauber beenden!«
    Gerta stieß einen schrillen Schrei aus. Talia klatschte ihr die Hand auf den Mund. Das Illusions-Schneewittchen war bereits hinter der Hütte verschwunden.
    Danielle hielt Gerta an den Armen fest. »Gerta, wir sind’s!«
    »Wickle den Rand meines Umhangs um sie!«, rief Talia.
    Danielle tat wie geheißen, und Gertas Zittern legte sich, als die Magie des Umhangs sie vor ihren eigenen Illusionen abschirmte. Sie vergrub das Gesicht in Talias Schulter.
    »Es tut mir leid«, sagte Gerta.
    Talia beobachtete die Hütte, aber die Tür hatte sich nicht geöffnet. Wenn Noita noch hier war, so hatte sie hoffentlich Gertas unterdrückten Schrei nicht gehört.
    »Was ist passiert?«, fragte Danielle sanft.
    »Wir haben uns hintenrum in Noitas Garten geschlichen.« Die schlimmste Panik war aus ihrer Stimme gewichen, aber Gerta klammerte sich an Talia wie ein Kind, das aus einem Albtraum erwacht ist. »Da waren drei Leichen, aufgebahrt in flachen Gräbern. Ich dachte, Mutter würde Noita helfen, sie zu begraben, aber …« Ein Schaudern hinderte sie daran, den Satz zu beenden.
    »Du bist in Sicherheit«, beruhigte Danielle sie. »Du hast die Hütte gefunden.«
    Gerta machte sich los. »Es tut mir leid.« Sie drehte sich zur Hütte um. »Ich wollte weglaufen, aber Schnee blieb. Sie sah zu, wie … wir sahen beide zu.«
    In Talias Brust baute sich ein Knurren auf. Sie riss das Schwert aus dem Gürtel und trat mit großen Schritten auf die Lichtung. Durch die Fenster kam kein Licht, kein Rauch aus dem Kamin. Das steile Dach reichte fast bis auf den Boden; die Farbe der Hüttenwände wurde fast völlig von Schmutz und Reif verborgen.
    Brauner Efeu strangulierte die kniehohen Baumstümpfe, von denen der Garten übersät war. Zwei skelettartige Eichen, jede mit einem Durchmesser von Armeslänge, standen zu beiden Seiten der Tür.
    »Bist du sicher, dass diese Hexe noch lebt?«, fragte Talia.
    »Selbst wenn nicht, so könnte es doch etwas im Innern geben, was uns weiterhilft«, sagte Danielle. »Sie war schließlich eine Freundin Rose Curtanas.«
    Die Tür öffnete sich knarrend. Talia trat mit erhobenem Schwert näher.
    Die Frau, die herauskam, schien in schlechterer Verfassung als ihre Behausung zu sein. Schichten von Kleidern und gesteppten Decken verliehen ihr das Aussehen eines watschelnden Haufens nicht zusammenpassender Wäsche. Schmutziger Wäsche. Wirres weißes Haar fiel ihr über die Schultern, das Gesicht schien lose auf dem Schädel zu hängen. Rotfleckige Finger umklammerten eine dicke Holzkrücke, als sie in den Garten hinaushinkte. Talia konnte ihre Magie von hier aus riechen, wie modriges Laub im Spätherbst.
    »Ermillina

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