Dämon
zuckte die Schultern. Möglich. Trotzdem war es eigenartig. Die Hose war voller Erde, wie sie auf dem Friedhof lag. Vielleicht war es nur ein Zufall. Falls der Junge Recht hatte und der Bursche hier in der Gegend gelebt hatte, war er möglicherweise häufiger auf diesem Friedhof gewesen. Es war dort schattig im Sommer, und die Sonne brannte nicht so erbarmungslos auf einen herab.
»He, Jefferson!«, rief Brogan hinter ihm und riss Jefferson aus seinen Gedanken.
Er stand auf und drehte sich zu der Stelle um, wo sie ihren Wagen am Straßenrand geparkt hatten. Brogan winkte, dann hielt er die Hände auf Schulterbreite auseinander, als wollte er die Größe eines imaginären Fisches andeuten, den er soeben gefangen hatte. Irgendetwas Wichtiges war passiert. Etwas, das Brogan nicht über die Straße rufen wollte, wo die neugierigen Ohren der Fernsehleute es aufschnappen konnten. Jefferson hob den Finger zum Zeichen, dass er verstanden hatte, warf einen letzten Blick auf den Toten und sah dann McKenna an.
Sie stand neben ihm. »Keine Sorge, ich komme allein zurecht.«
»Ja?«
Sie nickte und öffnete den Mund zu einer Antwort, überlegte es sich dann aber anders. Was immer sie hatte sagen wollen, die Nähe der beiden Kinder und des Toten ließ sie verstummen.
»Ja …?«, wiederholte Jefferson.
Sie reichte ihm einen Zettel. »Meine Nummer. Rufen Sie mich später an.«
»Mach ich.«
Jefferson steckte den Zettel ein, dann wandte er sich um und joggte über die Straße zum Wagen. Brogan lehnte an der Limousine und hielt das Funkgerät hoch. »Es wurde noch eine Leiche gefunden, Kumpel. Wir müssen los! Die Freizeit ist zu Ende.«
Brogan berichtete, als sie losfuhren: »Ich habe eben einen Anruf von Vincent erhalten. Er ist zurzeit leitender Ermittlungsbeamter am Tatort.«
Detective Vincent arbeitete zusammen mit Brogan und Jefferson bei der Mordkommission. Sie kannten sich seit langem, noch aus der Zeit, als sie gemeinsam bei der Army in Bosnien gewesen waren. »Und?«
»Sie haben einen ganzen Haufen Leichen drüben in Beacon Hill.«
»Du glaubst, es gibt eine Verbindung zu unserem Toten?«
Brogan nickte. »Vincent hält es für möglich. Falls ja, gehe ich jede Wette ein, dass wir diesen Fall auch noch kriegen.«
Sie fuhren los. Jefferson warf einen letzten Blick über die Schulter auf den Friedhof. Noch immer standen dort drei weiße Übertragungswagen von Fernsehstationen, und eine attraktive Reporterin blickte in eine Kamera, während sie in ein Mikrofon sprach; das weiße Granitmausoleum befand sich direkt hinter ihr. Jefferson konnte sich vorstellen, was sie ihren Zuschauern erzählte. »Die Polizei hat ein weiteres schrecklich zugerichtetes Mordopfer gefunden. Wie es scheint, treibt ein Serientäter in der Gegend von Boston sein Unwesen, der die Sicherheitskräfte in Atem hält und die Bürger in Angst und Schrecken versetzt …«
Er drehte sich um.
»Jedenfalls sieht es so aus, als würde die Mordkommission in nächster Zeit nicht an Langeweile leiden«, sagte Brogan.
»Ja, sieht so aus.«
»Zu schade, dass wir nicht nach Stunden bezahlt werden«, sagte Brogan. »Wir würden ein Heidengeld verdienen.«
»Amen.«
Brogan hing erneut am Funkgerät. Als er geendet hatte, wandte er sich zu Jefferson: »Wir haben den Namen für die Adresse in Beacon Hill. Das Haus gehört Thomas Sinatra.«
»Sinatra, der Strafverteidiger?«
»Genau der.«
»Hat er nicht Ferrara vor ein paar Jahren erfolgreich bei einer Mordanklage verteidigt?«
»Ja, er hat ein Wunder bewirkt. Diesen verdammten Vergewaltiger Paul Driscoll hat er ebenfalls vor dem Knast bewahrt. Der Mistkerl läuft frei herum, weil die Beweismittel unrechtmäßig in den Besitz der Anklage gekommen sind.«
»Ich erinnere mich.« Paul Driscoll hatte in acht Monaten fünf Frauen an der Boston University vergewaltigt und Fotos von seinen Opfern geschossen. Die Polizei fand die Aufnahmen während einer Hausdurchsuchung bei Driscoll, doch sein Verteidiger, eben jener Thomas Sinatra, hatte den Richter dazu gebracht, die Beweise für unzulässig zu erklären. Ohne die Fotos war die Anklage in sich zusammengefallen, und Driscoll wurde auf freien Fuß gesetzt.
»Also hat es Sinatra erwischt, wie?«
»Sieht so aus«, antwortete Brogan. »Vincent ist der Meinung, es wäre unser Mann gewesen, doch wie ich Sinatra kenne, hat er sich in seiner Zeit als Strafverteidiger eine ganze Menge Feinde geschaffen. Zwanzig Jahre lang hat er Kriminelle vor dem Knast bewahrt.
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