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Dämon

Dämon

Titel: Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Delaney
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schnell: »Wir kommen regelmäßig her, um Menschen zu helfen, die auf der Straße leben. Dieser Mann war immer dabei. Ich dachte zuerst, er würde nur seinen Rausch ausschlafen. Diese Leute lassen wir meist in Ruhe, aber ich hab sein Gesicht gesehen. Es sah so merkwürdig aus …«
    Dr. Wu beugte sich herab und drückte die Fingerspitzen auf die Halsschlagader des Mannes. Als er die Haut des vermeintlich Toten berührte, riss dieser die Augen auf, und sein Mund formte ein »O«, als er tief Luft holte. Verblüfft wollte Wu zurückweichen, doch der Mann war schneller. Er streckte die Hand aus und packte Dr. Wu am Unterarm. Sein Mund bewegte sich und formte unverständliche Worte, und seine schmutzigen Fingernägel gruben sich in die Haut des Arztes. Seine Augen wurden für einen Moment klar und richteten sich auf Dr. Wu. Dann, so schnell es gekommen war, war es wieder vorbei. Das Gesicht des Mannes entspannte sich, die Augen wurden glasig, seine Hand löste sich von Wus Unterarm, und er sank auf die Straße zurück.
    Wu sprang auf und betrachtete seinen Unterarm.
    »Meine Güte, Doc, alles in Ordnung?«, fragte Jefferson.
    »Ich glaube schon. Ich hab mich nur erschreckt.«
    »Whow, Mann. Das war echt unheimlich!«, sagte der Junge aufgeregt.
    McKenna blickte auf Dr. Wus Unterarm und bemerkte eine kleine Wunde unmittelbar unter dem rechten Handgelenk, wo sich ein stecknadelkopfgroßer Blutstropfen gebildet hatte.
    »Sie bluten«, sagte sie. »Sie sollten das untersuchen lassen.«
    »Sein Fingernagel hat die Haut geritzt«, murmelte Wu und blickte auf sein Handgelenk. »Das ist einer der Gründe, weshalb ich lieber im Labor arbeite.«
    »Sie sollten aufpassen, Mann. Der Typ könnte AIDS haben oder sonst was«, sagte der Junge und hüpfte aufgeregt auf den Zehenspitzen.
    Wu hielt noch immer sein Handgelenk und blickte Jefferson an. »Ich gehe zum Rettungswagen und frage die Sanitäter, ob sie etwas zum Desinfizieren dabeihaben.«
    »Tun Sie das«, sagte McKenna. »Wir kommen hier allein zurecht.«
    Wu drehte sich um und ging zielstrebig in Richtung des Krankenwagens davon, der noch immer an der Ecke parkte. McKenna beugte sich über den Toten und betastete mit den Fingern dessen Halsschlagader, diesmal vorsichtiger. Sie hielt die Finger einen Augenblick still, die Augen auf Jefferson gerichtet, dann schüttelte sie langsam den Kopf. Nichts. Der Mann lag fast in Fetalposition, die Beine an den Leib gezogen, die Haut bläulich angelaufen, die Lippen dunkel. Seine Augen waren weit aufgerissen, als hätte er etwas Entsetzliches gesehen. Das Gesicht war zu einer Fratze verzerrt, und die Zunge hing ihm aus dem Mund wie eine halb verschluckte Nacktschnecke. Er sah schmutzig aus, mit langen schwarzen Fingernägeln, fettigen Haaren und der unreinen Haut eines Menschen, der seit Jahren auf der Straße gelebt hatte.
    McKenna zog ein Paar Latex-Handschuhe über und drehte den Kopf des Toten hin und her. »Ich kann keine Verletzungen entdecken. Kein Blut. Sieht aus, als wäre er eines natürlichen Todes gestorben.«
    »Schon möglich«, sagte der Junge. »Wir kennen ihn schon. Er treibt sich seit Jahren in der Gegend rum. Ich hab gehört, dass sie manchmal einfach so sterben. Herzanfälle oder so. Ich hab keine Ahnung, wieso er eben wieder hochgekommen ist.«
    Der Junge ging Jefferson allmählich auf die Nerven, doch er hatte nicht ganz Unrecht. Manchmal starben Menschen tatsächlich »einfach so«. Jefferson war nicht sicher, was schlimmer war: aufgehängt zu werden wie Reggie Tate oder in völliger Anonymität zu sterben wie dieser Bursche hier, vergessen von der Gesellschaft. Sie würden Glück brauchen, überhaupt den Namen des Mannes in Erfahrung zu bringen. Jefferson musterte den Toten genauer, und ihm fiel etwas Seltsames auf. Er ging vor dem Toten in die Hocke und drehte ihn vorsichtig an der Schulter herum, sodass er auf den Rücken rollte. Merkwürdig. Es sah aus, als hätte er eine Polizeiuniform an. Keine richtige Uniform, eher ein Kostüm, wie man es vor Halloween im Supermarkt kaufen kann.
    McKenna bemerkte es ebenfalls, denn sie fragte: »Was hat er denn da an? Er ist angezogen wie ein Cop!«
    »Sieht so aus.« Jefferson nickte.
    Der Junge trat vor. »Wir kriegen alle möglichen Klamotten bei der Altkleidersammlung. Die Leute geben sie weg. Vielleicht ist es wirklich ein altes Halloween-Kostüm. Ich glaub nicht, dass der Typ wählerisch war mit seinen Klamotten, wo er doch auf der Straße gelebt hat.«
    Jefferson

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