Dämon
Jungs getrennt. Ein paar Stunden später fanden sie ihn in einer Seitengasse, mit drei Kugeln in der Brust, tot. Bevor er gestorben war, hatte jemand sich die Zeit genommen, ihm die Haut von den Beinen abzuziehen und ihm ein paar Finger abzuschneiden.
Das hatte uns in den vorangegangenen beiden Wochen daran gehindert, nach Zvornik zu gehen, trotz J. C.s ununterbrochenem Gerede. Doch der Gedanke an eine Frau kann eine machtvolle Droge sein, und wir alle litten unter ihren Auswirkungen. Wochen zuvor, während unserer dritten Nacht in Bosnien, hatten Brogan und ich an dem Wall aus Sandsäcken gestanden, der unser Lager umgab, hatten Zigaretten geraucht und geschmuggeltes Jelen Pivo getrunken, ein bosnisches Bier. Es war eine warme Nacht gewesen, und die Klappen unserer tarngrünen Zelte flatterten in der sommerlichen Brise. In der Ferne sahen wir die Lichter von Zvornik. Damals wurde in der Stadt noch gekämpft. Weiße Mörserblitze erhellten die Betonsilhouetten, und Explosionen rollten durchs Tal wie Donnergrollen. Wir tranken Bier und beobachteten die grüne Leuchtspurmunition, die durch den Nachthimmel jagte.
Seit jener Nacht hatte es in der Stadt keine Zwischenfälle mehr gegeben, also nahmen wir an, dass die Serben weitergezogen waren. Zumindest vermutete J. C. es jedes Mal, wenn wir im Fitnesszelt Gewichte stemmten.
»O ja«, sagte er. »Sie sind weitergezogen, ganz sicher. Ich hab’s von einem Typen oben in Tuzla gehört.«
Tuzla war die Stadt, wo der Großteil der amerikanischen Streitkräfte stationiert war.
»Könnte schon sein«, meinte Brogan. »Es war ziemlich ruhig in letzter Zeit.«
»Bis auf die Musik«, erwiderte J. C. »Und wo es Musik gibt, wird getanzt. Und wo getanzt wird, gibt es Mädchen. Hübsche Mädchen.«
Wir alle waren ausgehungert nach Sex, also beschlossen wir, in jener Nacht heimlich das Lager zu verlassen, gegen zehn, wenn wir ohnehin Freizeit hatten. Die meisten Nächte verbrachten wir mit Gameboyspielen und dem verrauschten amerikanischen Radio, das von Tuzla aus über Langwelle ausgestrahlt wurde. Ich selbst hatte auch die Nase voll und war reif für ein wenig Abwechslung.
In jener Nacht also trafen wir uns dreißig Meter hinter dem langen Lagerzelt, in dem wir mit hundertfünfzig Mann auf harten grünen Pritschen hausten. J. C. hatte tatsächlich einen gepanzerten Humvee organisiert. Er lehnte an der Fahrertür und lauschte dem leisen Grollen des Motors unter der Haube. Vincent war ebenfalls erschienen und rauchte eine Zigarette, während er auf uns wartete. Beide Männer trugen volle Kampfmontur, einschließlich Westen und Helme aus Kevlar, und jeder hatte ein M-16 und die obligatorischen zweihundertzehn Schuss Munition bei sich.
Sie grinsten uns an, als Brogan und ich kamen, und Vincent schnippte seine Zigarette weg.
»Ich hab von den bosnischen Mädchen geträumt, Mann«, sagte J. C. grinsend. »Weich und warm, und sie riechen nach Frau.«
Brogan blickte nervös in alle Richtungen.
»Seid nicht so laut«, sagte er. »Wenn der Kommandeur was rausfindet, sind wir am Arsch.«
J. C. nickte und kletterte hinters Lenkrad des Humvee. Vincent sprang auf den Beifahrersitz, und Brogan und ich stiegen hinten ein. Der Humvee war offen, und die Luft tat gut, als wir endlich losfuhren. Wir rollten aus dem Lager und auf die Hauptstraße, die in die Stadt führte. J. C. beschleunigte, und der Nachtwind strich über mein Gesicht. Ich schloss die Augen. Endlich ein wenig Abwechslung vom Einerlei im Camp.
J. C. beugte sich vor und schaltete des Radio ein. Ein amerikanischer Hip Hop Song plärrte aus den Lautsprechern.
»Ja!«, rief J. C. und nickte im Rhythmus. »Das ist geil!«
Er trat das Gaspedal durch, und der Humvee jagte über die Piste. Ich fühlte mich gut – Musik in den Ohren, kühlen Wind im Gesicht, und über uns die Sterne.
»Meint ihr, wir kommen heute Abend gratis zum Schuss?« J. C. drehte sich zu uns um und rief gegen den Fahrtwind an.
»So ’n hässlicher Vogel wie du bestimmt nicht«, sagte Vincent, und wir alle lachten.
Entlang der Straße erstreckten sich Wälder und Felder. Gelegentlich war eine Hausruine zu sehen, ohne Dach und mit eingestürzten Wänden und Mörserlöchern in den Mauern. Vereinzelt liefen Hühner umher, die noch immer in zerstörten Ställen hausten, und Kühe muhten schmerzerfüllt, während sie darauf warteten, dass ihre übervollen Euter gemolken wurden. Ich war nervös wegen möglicher Landminen, doch im Licht des Humvee war die
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