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Dämon

Dämon

Titel: Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Delaney
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hatte den kleinen Mund geschürzt und rang verzweifelt nach Luft. Das Geschoss aus Vincents M-16 hatte sie im Bauch getroffen und ein ausgefranstes, blutiges Loch in ihr Kleidchen gerissen. Ihre Haare wurden von einem gelben Band zusammengehalten, fleckig vom Dreck der Gasse, und kleine Glasscherben klebten in ihrem Haar.
    »O nein«, sagte Brogan leise. »O nein …«
    Er kniete vor dem Mädchen, streckte die Hand aus, strich ihr das Haar aus der Stirn und pflückte die Glasscherben heraus.
    »Was ist?«, rief Vincent vom Wagen.
    »Es ist ein Mädchen!«, antwortete J. C. direkt hinter mir. Er stand da, ohne Helm, und starrte auf das verwundete Kind.
    »Ist sie tot?«, rief Vincent. Er saß noch immer im Humvee.
    J. C. schüttelte den Kopf. »Sie lebt noch.«
    Ich kniete vor ihr nieder und tastete an ihrem Hals nach dem Puls. Er ging unregelmäßig und schwach.
    »Gütiger Gott!«, sagte J. C. »Was tun wir jetzt?«
    »Wir schaffen sie in den Wagen«, sagte Brogan.
    »He, warte mal!«, sagte Vincent. »Bist du sicher?«
    »Was?«
    »Überleg doch mal. Wir sind nicht im Camp. Wir haben gegen Befehle verstoßen. Sie werden uns am Arsch kriegen! Und dann haben wir noch ein Kind erschossen, verdammt!«
    »Ja«, sagte Brogan. »Wir haben ein Mädchen angeschossen, und jetzt ist es unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass sie wieder gesund wird.«
    »Scheiße, das weiß ich selbst! Ich wollte auch nicht sagen, dass wir sie liegen lassen. Wir bringen sie in ein Krankenhaus oder zu ’nem Arzt. Aber wollt ihr wirklich mit ihr zurück ins Lager? Das bedeutet Knast für uns alle.«
    Brogan öffnete den Mund zu einer Erwiderung, als über uns plötzlich ein Schrei ertönte. Wir sahen nach oben und entdeckten einen Kopf in einem der glaslosen Fenster. Eine Frau schrie und schlug die Hand vor den Mund, während sie voller Schmerz auf das verwundete Kind in der Gasse starrte. Sie stieß einen Wortschwall in bosnischer Sprache aus.
    »Was sagt sie?«, fragte J. C. und starrte erst Brogan, dann mich an.
    »Kannst du dir das nicht denken?«, entgegnete ich.
    Über die Stimme der Frau hörte ich das Geräusch eines sich nähernden Fahrzeugs. Brogan hörte es ebenfalls. »Da kommt jemand«, sagte er. »Sieh nach.«
    Langsam ging ich um den Humvee herum zum Anfang der Gasse zurück, wo wir von der Hauptstraße abgebogen waren. Die Straße lag noch im Dunkeln, und das Licht von den Scheinwerfern des Humvee blieb hinter mir zurück. In einiger Entfernung näherten sich Scheinwerfer vom Stadtrand her. Ich hörte ein Kratzen, wie von einem Laster, bei dem der Fahrer die Gänge wechselte.
    »Da kommt ein Wagen«, sagte ich. »Von Norden, vom Stadtrand.«
    Brogan kniete noch immer neben dem Mädchen und presste die Hand auf die Wunde in ihrem Leib. Ich konnte sehen, wie das Blut in einem endlosen Strom zwischen seinen Fingern hindurchquoll. Vincent stand auf und starrte auf das Kind, während J. C. seinen Helm vom Kopf genommen hatte und mit leerem Blick im Kreis stapfte. Ich drehte mich um und richtete meine Aufmerksamkeit erneut auf das sich nähernde Fahrzeug. Es passierte eine Brücke, und in diesem Augenblick brach der Mond hinter den Wolken hervor.
    Zum ersten Mal konnte ich erkennen, dass es ein Laster war. Ich spürte, wie sich Angst in meinem Magen ausbreitete. Panische Angst.
    »Scheiße, wir stecken in Schwierigkeiten!«, rief ich nach hinten und rannte in die Gasse zurück.
    »Was ist?«, fragte J. C. und blieb stehen.
    »Es ist der Truck mit den Soldaten«, sagte ich. »Der Armeetransporter, der uns vorhin entgegengekommen ist.«
    »Was?«
    »Er kommt zurück.«
    Brogan blickte von dem Mädchen auf. »Im Ernst?«
    Er nickte J. C. zu. »Sieh nach.«
    J. C. rannte die Gasse entlang zur Hauptstraße. Über uns hatte die Frau zu weinen aufgehört und rief etwas auf Bosnisch, das ich als »Hilfe!« verstand. Ich blickte mich in der verlassenen Gasse um. Es war keine Bewegung zu sehen, und nur das Rascheln in einem Abfallhaufen an einer Hausmauer war zu vernehmen.
    Das Mädchen stöhnte nun leise, und ein dünner Blutfilm glänzte auf ihren Lippen. Brogan drückte weiter die Hand auf die Wunde und sprach leise in ihr Ohr. Seine andere Hand lag auf ihrer Stirn.
    Vincent starrte die Wand an, die Hände auf die Ohren gepresst, und nickte unablässig mit dem Kopf.
    J. C. stand an der Ecke zur Hauptstraße und blickte nach draußen; dann wandte er sich um und kam zu uns gelaufen.
    »Jefferson hat Recht. Es ist der gleiche Truck. Sie kommen

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