Dämon
ausging.
Kalte Luft wehte durchs offene Fenster ins Zimmer. McKenna zerrte an seinem Hemd, ohne den Kuss zu unterbrechen, und steuerte ihn aufs Bett zu. Die Nachttischlampe brannte; es war das einzige Licht im Zimmer – eine schwache Glühlampe unter einem pfirsichfarbenen Wachsschirm, die das Zimmer in warmes Licht tauchte. McKenna zog ihn auf sich herab und lehnte sich weit zurück auf dem weichen Bett. Ihre Haare umrahmten ihren Kopf auf den Kissen.
Sie küsste ihn am Hals, und ihre Zunge huschte über seine Haut; zärtlich knabberte sie an seinem Ohrläppchen. Er hörte, wie ihr Atem schneller ging, spürte ihn über sein Ohr hinwegstreichen, spürte die flinke Wärme ihrer Zunge.
Sie zögerte und blickte ihn fragend an.
»Woher hast du die hier?«, fragte sie und deutete auf zwei kleine kreisrunde Narben auf Jeffersons Brust und Unterleib.
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich hatte sie schon immer. Solange ich zurückdenken kann.«
»Sie sehen aus wie von Schusswunden«, sagte sie und strich mit den Fingern darüber. Dann hob sie den Kopf und küsste sie. »Jefferson, der Desperado.«
Sie strich ihm mit den Fingern durch die Haare, glättete sie, fuhr mit der Fingerspitze über seine Augenbrauen. Sie beugte sich vor und küsste ihn wieder auf die Lippen. Er drehte sie herum, rollte sich erneut auf sie und spürte, wie sich ihre Fingernägel in seinen Rücken gruben.
Sie lagen im Bett im dunklen Zimmer und betrachteten die Muster, die das Mondlicht an die Decke zeichnete. McKenna schmiegte sich an ihn, den Kopf auf seiner Brust, seufzte leise und kuschelte sich noch enger an ihn.
»Als ich in Bosnien war«, sagte er langsam. »habe ich gespürt, wie ich mich immer mehr zum Schlechteren verändert habe. Ich war auf dem Weg, ein Mensch zu werden, der ich auf keinen Fall werden wollte. Mit dir ist es umgekehrt. Mit jedem Augenblick, den ich mit dir verbringe, fühle ich mich besser, stärker als vorher. Diese Geschichte damals in Zvornik … ich bin auf dem Weg, sie abzustreifen. Wegen dir. Du befreist mich davon.«
McKenna sagte nichts. Sie lauschte seinen Worten und hörte ihm zu, während sie ihn sanft streichelte.
Jefferson spürte, wie sich in seiner Brust etwas löste. »Möchtest du wissen, was dort draußen in Zvornik passiert ist?«
»Ich möchte fühlen, was du fühlst«, antwortete sie. »Ich möchte wissen, was du weißt. Ich möchte an dem Leben teilhaben, das du geführt hast, bevor wir uns begegnet sind.«
»Wenn du es erst weißt, gibt es kein Zurück. Man kann Dinge nicht vergessen.«
»Ich will nicht vergessen«, sagte McKenna. »Ich will es niemals vergessen.«
20. Juli 1996
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B rogan und ich waren zusammen im Seventh Armored Cavalry Regiment, in Camp Washington, sechs Kilometer südlich von Zvornik. Wir waren seit einem Monat in Bosnien und hatten die meiste Zeit im Lager verbracht, hatten uns Filme angesehen und Fitnesstraining gemacht. Vincent war ebenfalls bei uns; wir haben ihn in Bosnien kennen gelernt. Er war damals ein junger, ziemlich unbeherrschter Bursche. Das Militär hatte genügend Ausrüstung herangeschafft, um ein gutes Fitnesscenter auszustatten, und Brogan, Vincent, ich und ein Bursche namens J. C. aus Spring Hill, Texas, trainierten gerade gemeinsam, als irgendjemand – ich habe seinen Namen längst vergessen – den Vorschlag machte, an dem Abend in die Stadt zu gehen.
Während unserer Zeit in Bosnien herrschte meistens Ausgangssperre für das Militär; wir mussten in den Lagern bleiben und durften höchstens die Patrouillenroute ablaufen, die unmittelbar vor der Stadt endete. Nachts hörten wir die Musik, die aus der Stadt herüberwehte, und manchmal sahen wir das weiße Licht von Scheinwerfern, die über den Nachthimmel strichen. J. C., ein junger Kerl, der gerade aus der Grundausbildung gekommen war, langweilte sich zu Tode, und wir alle hatten seit unserem Aufbruch aus den US-Kasernen in Deutschland keine Frau mehr gesehen. Was uns im Lager hielt, mehr noch als die Befehle unseres kommandierenden Offiziers, war der Gedanke, dass die Straße in die Stadt von serbischen Truppen vermint war. Doch es gab noch andere, größere Gefahren.
Zwei Wochen zuvor war Michael Wise aus Ohio auf eine Landmine getreten, die ihm beide Beine abgerissen hatte. Jedenfalls lautete so die offizielle Version. Inoffiziell wussten die meisten von uns, was wirklich passiert war. Wise war zusammen mit zwei anderen aus unserer Einheit in Zvornik gewesen und hatte sich von den
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