Dämon
zurück.«
Weitere Schreie von oben.
»Halt die Schnauze, Miststück!«, brüllte Vincent zur Frau im Fenster hinauf. Die Wut in seiner Stimme erschreckte mich.
Die Frau zeigte mit dem Finger auf ihn und schrie weitere Worte auf Bosnisch.
Vincent hob sein M-16 und richtete es auf das Fenster.
»Vincent, nein!«, brüllte J. C. und griff nach dem Gewehr.
In diesem Augenblick geschah es.
Vincents M-16 bockte viermal, und ich sah, wie die Frau von Kugeln getroffen heftig zusammenzuckte. Ihr Kopf schien zu zerspringen, und sie brach auf dem Fenstersims zusammen und hing halb aus dem Fenster.
»Was hast du getan?«, brüllte J. C. »Was ist los mit dir?«
Weitere Köpfe tauchten in den Fenstern über uns auf, einem Plattenbau aus Beton und Stahl. Viele warfen nur einen flüchtigen Blick nach draußen und zuckten hastig wieder zurück. Vincent hielt sich erneut die Ohren zu, das Gewehr am Boden. Er schüttelte immer wieder den Kopf, die Schultern nach vorn gezogen. Seine Lippen bebten. »Nein … bitte, o Gott, nein, sei still. Bitte!«
Ich dachte im ersten Augenblick, er meinte das Mädchen. Sie stöhnte leise in einem Delirium aus Schmerz, doch Vincent schien sie überhaupt nicht wahrzunehmen. Stattdessen wandte er sich von ihr ab, die Hände immer noch über den Ohren, und lehnte sich an die Mauer des Wohnhauses, die übersät war mit Graffiti, bosnische Worte in weißer Schrift, die sich über die gesamte Länge hinzogen.
In der Ferne hörte ich den Militärtransporter näher kommen. J. C. leckte sich nervös die Lippen, blickte auf sein Gewehr und überprüfte das Magazin.
»Wir müssen von hier verschwinden!«, sagte er zu Brogan.
»Das Mädchen stirbt, J. C.«
»Ich weiß. Es tut mir Leid. Aber die Soldaten haben es auf unsere Hintern abgesehen. Sie sind hinter uns her.« J. C. drehte sich um und deutete zum Ende der Gasse. »Sie wollen unser Blut. Deshalb sind sie zurückgekommen.«
Ich bemerkte eine plötzliche Bewegung über uns, und irgendetwas segelte aus einem der Fenster. Es kam aus dem zweiten Stock, und ich erkannte, dass es eine Glasflasche war – eine Weinflasche – mit einem Lappen im Hals. Sekundenbruchteile vor dem Aufprall schoss eine Warnung durch meinen Kopf, dann zerplatzte die Flasche kaum einen Meter von J. C. entfernt auf dem Pflaster. Das Geräusch von splitterndem Glas und von heranströmender Luft begleitete die Explosion der benzingefüllten Flasche, und Flammen spritzten in alle Richtungen.
J. C. sprang zurück, und Brogan beugte sich schützend über das Mädchen, um sie vor den Flammen zu schützen. Ich drehte mich zu Vincent um, doch er schien nichts von alledem zu bemerken. Er lehnte noch immer an der Wand. Der Wind blies in seine Richtung – ich sah, wie er an seiner Montur zerrte –, und Vincent schien zu erschauern. Er wandte die Schultern ab, als wäre die Luft eisig kalt. Aber die Nacht war warm und ruhig, und ich spürte nicht den leisesten Lufthauch.
Als ich mich Vincent näherte, spürte ich ebenfalls einen Lufthauch, eine kalte Brise, die an meiner Montur zerrte. Ich schlug den Kragen gegen die Kälte hoch, als ich ein leises Flüstern hörte, das der Wind heranzutragen schien.
Ich neigte den Kopf, lauschte. Die Luft wehte eisig gegen mein Gesicht. Ich hörte ein Geräusch, ein lang gezogenes Flüstern.
»Töte … töte … töte …«
Ich drehte mich zu Brogan um, der noch immer über das Mädchen gebeugt kniete, doch er schien nichts von alledem mitzubekommen. J. C. entfernte sich rasch vom Feuer in der Gasse, während er sich abklopfte, um mögliche Flammen zu ersticken. Nur Vincent und ich schienen das Flüstern zu hören.
»Kommt, wir müssen verschwinden!« J. C. zerrte an Brogans Arm und versuchte ihn zu bewegen, mit ihm zum Humvee zurückzukehren. Die Scheinwerfer des herannahenden Trucks hatten den Humvee bereits erfasst. Ich hörte, wie Männer auf Bosnisch riefen. Dann versperrte der Laster die Ausfahrt aus der Gasse, und wir saßen fest.
Brogan erhob sich endlich. Von seinen Händen tropfte Blut. Seine Uniform war ebenfalls voller Blutflecken. Die Scheinwerfer des Trucks strichen über uns hinweg, als er in die Gasse einbog. Wir standen da, starrten auf den Laster und blinzelten gegen die Helligkeit der Lichter. Ich war geblendet und konnte kaum etwas erkennen, nur die schemenhaften Umrisse des Lastwagens und flüchtige Bewegungen, als würden die Soldaten von der Pritsche springen. Ich hörte, wie eine Stimme uns auf Bosnisch anrief; dann
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