Dämon
schwere Schritte. Jemand näherte sich. Ich wechselte einen Blick mit Brogan, hob die Hand und deutete mit zwei Fingern nach draußen in den Korridor. Brogan nickte in Richtung des Balkons, wo sich der Heckenschütze versteckte.
Ich hob langsam den Kopf über die Tischplatte, konnte aber nichts als dunklen Schatten erkennen.
Ich hielt den Unbekannten nicht für einen richtigen Heckenschützen – richtige Heckenschützen schossen auf fünfzig Meter nicht vorbei. Ich glaubte, dass es eher ein einzelner Soldat war, vielleicht sogar ein Zivilist mit einer automatischen Waffe, wahrscheinlich einem AK -47.
Ich fragte mich bereits, wieso er nicht sein gesamtes Magazin auf uns verfeuerte, als der Raum plötzlich in einem Kugelhagel regelrecht zerfetzt wurde. Ich duckte mich tief hinter den Tisch und lauschte dem Lärm und Chaos ringsum. Die Tischplatte bestand aus massivem Holz, doch ein AK -47 ging hindurch wie Papier. Wenigstens war ich nicht zu sehen. Falls ich getroffen wurde, war es Zufall.
Einen Augenblick später wurde die Tischplatte neben mir von drei Geschossen durchbohrt, die hinter mir im Betonboden stecken blieben. Ich zog die Knie an die Brust und machte mich ganz klein, während ich mein Gesicht mit den Armen schützte. Rings um mich her hörte ich das Splittern von Glas, das berstende Geräusch von zerfetztem Holz und das Abplatzen kleiner Betonbrocken. Es war so laut, als würde jemand Steine in einen mit Glas und Porzellan gefüllten Raum werfen.
Ich hörte, wie J. C. einen Schrei ausstieß. »Himmel …!« Ich sah zu ihm hinüber. Er hielt die Arme über den Kopf, während Splitter und Glas auf ihn herabregneten. Dann, so urplötzlich, wie es angefangen hatte, hörte das Trommelfeuer wieder auf, und der Raum wurde in merkwürdige Stille gehüllt. Draußen auf dem Gang quietschten Stiefel auf dem Betonboden, als die gegnerischen Soldaten zu uns vorrückten.
Vincent hatte sich wieder hingehockt und feuerte eine Salve durch die offene Wand hinaus auf den dunklen Balkon. Ich sah, wie das Geländer zerplatzte und Keramiktöpfe und Pflanzen herunterfielen. Plötzlich kehrte die eisige Brise in den Raum zurück, und ich hörte das gleiche Flüstern, das ich auch schon unten auf der Straße gehört hatte.
»Töte …«
Ich schüttelte den Kopf und spähte über die Tischkante hinweg. Das Zimmer war zerstört; die Wände von Einschusslöchern übersät. Der Tisch, hinter dem ich in Deckung lag, war dreimal getroffen worden, und die Löcher bildeten eine Diagonale vom unteren Rand zur Oberkante.
Einer der drei Toten an der Decke war heruntergefallen. Er lag mit dem Gesicht nach unten im Dreck, die gefesselten Arme an den Körper gepresst, die Beine ausgestreckt. Ein zweiter Mann baumelte an seinem Seil hin und her und drehte sich dabei; ich konnte abwechselnd seinen Hinterkopf und sein Gesicht sehen.
Während ich in grauenerfüllter Faszination hinsah, öffnete der Mann plötzlich die Augen. Ich zuckte voller Entsetzen zurück. Der Mann schien noch am Leben zu sein. Sie hatten ihn lebendig aufgehängt, damit er dort baumelnd starb …
Er starrte mich für einen Augenblick an, dann hob er den Arm und zeigte mit einem Finger auf mich. Sein Gesicht war geschwollen, die Lippen blutig und geplatzt, die Haare schmutzig, und das Seil schnitt tief in die Haut an seinem Hals.
Jetzt bewegte der Mann die Lippen; es sah aus, als versuche er zu sprechen. Er zeigte weiter auf mich, und ich konnte ihn flüstern hören. Doch das Geräusch kam nicht von seinen Lippen, sondern irgendwie aus allen Richtungen rings um mich herum.
»Ich sehe dich …«
Dann fiel sein Arm herab, und er schloss die Augen wieder. Draußen im Korridor hörte ich ein Quietschen, und als ich mich hastig umwandte, sah ich drei Soldaten, die den Raum betraten. Ich hob mein Gewehr und feuerte. Die Männer wichen in den Gang zurück. Einer drehte sich in meine Richtung, und eine Kugel traf ihn im Hals. Er brach zusammen.
Draußen auf dem Korridor redeten hastige Stimmen, und ich hörte, wie die Männer sich weiter zurückzogen.
Mit einer raschen Bewegung des Handgelenks verständigte ich Brogan.
Er nickte, zog J. C. zu sich und kroch zum Eingang. Vincent hatte sich ebenfalls erhoben und schlich die Wand entlang nach hinten. Einer der gegnerischen Soldaten lag am Boden. Seine Arme und Beine zuckten. Ich drehte mich zu dem Gehenkten um, der mich angesehen und auf mich gezeigt hatte. Seine Augen waren geschlossen, und er hing schlaff am
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