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Dämon

Dämon

Titel: Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Delaney
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weggeschlossen, um Pilger anzulocken. Der Oberschenkelknochen vom heiligen Johannes, der Backenzahn vom heiligen Thomas – die Liste ist endlos. Ihre Leichen wurden aufgeteilt wie Schokoriegel, und jeder bediente sich nach Lust und Laune. Sehr barbarisch. Kein großer Anreiz, ein Heiliger zu werden, meinen Sie nicht?«
    »Nein, wirklich nicht.« Jefferson nickte zustimmend. »Aber was hat das alles mit dem Skelett zu tun?«
    »Ah, das Skelett«, erwiderte Ugriumov. »Nun, manche gelangten zu der Überzeugung, dass es sich bei dem Skelett um eine Reliquie handelt.«
    »Eine Reliquie?«, fragte McKenna sichtlich verwirrt. »Von wem?«
    Ugriumov wandte sich zu ihr. »Nicht von wem, sondern von was .«
    Jefferson schüttelte den Kopf. »Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
    »Nun, wenn man streng an die Bibel glaubt, muss man auch glauben, dass es mehr als nur Gott und Jesus und die Propheten gibt. Man glaubt auch an die Existenz des Bösen. An Dämonen, gefallene Engel, Wesen, die Schmerz und Leid über die Menschen bringen.
    Man muss nicht einmal in der Bibel nachlesen, um das Böse zu finden. Jede Religion hat ihre bösen Geister. Die Sumerer hatten die Maskim, sieben Dämonen, die in den Eingeweiden der Erde lebten und von dort heraufstiegen, um die Menschen und ihre Kinder anzugreifen. Die Araber hatten ihre Dschinn. Die dunklen oder verborgenen Geister der Wüste. In ihren Adern kreiste Feuer statt Blut. Es waren die Bösen, die eine Revolte der Engel gegen Allah anzettelten und dafür auf die Erde verbannt wurden.
    Die Christenheit hat ihre eigenen Dämonen. Beelzebub, Satan … Gestalten, die sich von Gott abgewandt haben und danach trachten, Schmerz und Leid über die Menschen zu bringen. Die Einzelheiten mögen in den Religionen unterschiedlich sein, doch der grundsätzliche Charakter der Dämonen bleibt über all die Jahrhunderte stets der gleiche. Und viele dieser Kreaturen sind keine echten Geister.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte McKenna.
    »Was ich damit sagen will? Wenn ein Dämon getötet wird, bleibt ein wirklicher Leichnam zurück.«
    »Und wie würde dieser Leichnam aussehen?«, fragte Jefferson.
    »Wie der Leichnam eines Menschen«, erwiderte Ugriumov. »Aber es wäre ein Leichnam, der vom Bösen gezeichnet ist.«
    Ein menschlicher Leichnam, der Klauen hatte statt normaler Füße. Ugriumov trat an die Wand, und sein Blick glitt über ein vergoldetes Kreuz mit dem geschundenen Leichnam Jesu Christi darauf.
    »Man gelangte zu dem Glauben, dass das Skelett eine Reliquie ist. Eine höchst unheilige Reliquie. Eine Reliquie des Bösen. So, wie einem Stück eines Heiligen die Mächte des Guten innewohnen, so besitzt die Reliquie eines Bösen die Mächte des Dunklen.«
    Jefferson hob die Augenbrauen. »Wollen Sie damit andeuten, dass das Skelett, das Sie hier im Museum aufbewahren, von einem Dämon stammt?«
    »Ja«, sagte Ugriumov. »Ja, das glaube ich.«
    Jefferson starrte den kleinen Mann an. Er wusste im ersten Augenblick nicht, wie er darauf reagieren sollte. Er musterte Ugriumovs Gesicht, suchte nach einem verräterischen Lächeln, einem Funkeln in den Augen, irgendeinem Hinweis, dass der Mann sich über ihn lustig machte, dass er ihm einen Streich spielte und die ganze Geschichte ein schlechter Scherz war. Ugriumov erwiderte Jeffersons Blick kühl; er hielt sich so still wie eine Eidechse in der Sonne.
    »Jetzt kommen Sie aber«, sagte Jefferson und brach das Schweigen. »Das ist nicht Ihr Ernst. Ein Dämon? Sie glauben tatsächlich, es ist das Skelett eines Dämons?«
    »Ich bin nicht so überheblich, nur zu glauben, was ich mit den eigenen Augen sehen kann«, antwortete Ugriumov. »Doch Sie sind Detective. Ihr Verstand muss analytisch vorgehen, nicht wahr? Sie müssen sich von Beweisen leiten lassen.«
    »Größtenteils«, räumte Jefferson ein.
    »Ich werde Ihnen die Beweise liefern«, sagte Ugriumov. »Die Beweise, die Sie suchen.«
    Ugriumov wandte sich von ihnen ab, straffte seine Anzugmanschetten und verließ den Raum durch eine kleine Tür auf der Rückseite. Jefferson musterte ihn von hinten, während er und McKenna ihm folgten. Ugriumov war ein kleiner Mann, beinahe weibisch mit seiner engen Taille und den schmalen Schultern. Er sah aus wie der Typ Mann, der als Kind im Sport eine Niete war, sich nach innen gewandt und den Verstand geschult hatte, statt den Leib zu ertüchtigen. Während Kinder in seinem Alter Fußball gespielt oder gerungen hatten, hatte Ugriumov wahrscheinlich

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