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Dämon

Dämon

Titel: Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Delaney
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Kapitalismus.« Ugriumov lächelte und nickte in Richtung eines Schulranzens mit einem Batman-Symbol darauf. »Er ist jetzt überall, wissen Sie? Der Firlefanz einer neuen Ära. Fastfood in Schachteln, Plastikplanschbecken, Barbecues und was weiß ich noch alles. Vor zwanzig Jahren gab es nichts von alledem. Heute ist es überall.«
    »Amerika ist nun mal geschäftstüchtig.«
    »Wissen Sie, ich habe hier in Russland schon DVD s gesehen, noch bevor die Filme in Ihrem Land im Kino liefen. Der russische Schwarzmarkt.« Ugriumov ging langsam den breiten Gang hinunter, eine Hand hinter dem Rücken. »Wissen Sie, was für Russen wirkliche Unterhaltung ist?«, fragte er.
    »Was denn?«, fragte Jefferson höflich.
    »Baustellen. Neue Bauwerke. Die Menschen beobachten die Errichtung von Brücken, Tunnels und Gebäuden und denken: ›Vielleicht bedeutet es, dass wir endlich etwas erreichen.‹« Ugriumov winkte ab. »In Wirklichkeit erreichen wir natürlich nichts. Unsere Armut ist verschwunden, doch das Land ist immer noch wie ein verwundeter Bär. Unsere neunzig atomgetriebenen U-Boote sind Zeitlupen-Tschernobyls. Unser Marineinspektor sagt es uns – und was tun wir? Wir sperren ihn ein. Aber wir haben ja unsere Bluejeans und unsere Plastikpools.« Ugriumov zuckte die Schultern, dann fügte er leise hinzu: »Pir po wremja tschumi.«
    »Was bedeutet das?«, fragte McKenna.
    »Ein Festmahl in Zeiten der Pest.«
    Sie waren vom Hauptgang abgebogen und gingen nun durch einen Raum, der den Arbeiten von Carl Fabergé gewidmet war. Eine große Vitrine gefüllt mit vielfarbigen Eiern hing an der Wand. Eine zweite, mit Samt ausgeschlagene Vitrine stand mitten ihm Raum, gefüllt mit emaillierten Tellern und Schnupftabaksdosen, die mit Jaspis und hellgrünem Nephrit verziert waren. Die Gruppe verließ den Fabergé-Raum und kam in einen Saal voller Porzellan. Leuchtend bunt gestaltete Figuren und wunderschön dekorierte Teller füllten die Vitrinen. Das Alter der Stücke spannte sich vom achtzehnten bis ins zwanzigste Jahrhundert. Danach schritten sie durch die offene Tür in einen dritten Ausstellungsraum, diesmal bis unter die Decke angefüllt mit religiösen Bildmotiven. Die italienischen Meister mit Bildern von Christus unter der Dornenkrone, die Arme hinter dem Rücken gebunden, flämische Gemälde von der Jungfrau Maria. Holländische Meisterwerke von Engeln und Jüngern.
    Ugriumov stellte sich in die Mitte des Raums und drehte sich einmal um die eigene Achse, während er mit den Händen auf die Bilder an den Wänden deutete. »Sind Sie religiös, Detective Jefferson?«
    Jefferson zuckte die Schultern. »Heute nicht mehr so sehr wie früher. Ich gehe nur hin und wieder in die Kirche.«
    In Wahrheit konnte Jefferson sich nicht erinnern, irgendwann im Verlauf der letzten zehn Jahre einmal in der Kirche gewesen zu sein.
    »Und Sie, Miss Watson?«
    McKenna lächelte. »Wenn ich die Zeit finde.«
    Ugriumov nickte und trat näher zu ihr. »Wissen Sie, was eine Ikone ist? Haben Sie dieses Wort schon mal gehört?«
    »Allerdings. Es ist ein Bild oder ein Gegenstand, der eine göttliche Offenbarung zeigt.«
    »Sehr gut«, lobte Ugriumov. »Die Ikone ist ein Zeugnis jener göttlichen Offenbarung … und eine Reliquie? Wissen Sie, was eine Reliquie ist?«
    »Ein Stück von einem Heiligen«, antwortete McKenna. »Beispielsweise ein Stückchen Knochen oder eine Haarlocke.«
    Ugriumov nickte erneut, und diesmal lächelte er sogar. Dann ging er zu einer der Wände und blieb vor einem Bild stehen, welches das Letzte Abendmahl zeigte. Jesus saß in der Mitte der langen Tafel und blickte ungewöhnlich traurig drein. Welch ein unwillkommener Gedanke, dachte Jefferson, wenn man den Zeitpunkt des eigenen Todes weiß. Hatte Reggie Tate gewusst, dass seine Zeit gekommen war? Oder irgendeines der anderen Opfer? Wenn sie es gewusst hätten – hätten sie sich anders verhalten? Ihren letzten Tag mehr genossen? Oder hätte das Wissen um ihren bevorstehenden Tod sie so überwältigt, dass sie nichts anderes getan hätten als dazusitzen und zu warten, außer Stande, ihre letzte Mahlzeit zu genießen?
    Für einen Augenblick sah Ugriumov vom Bild auf. »Nach dem Volksglauben gab es einen heiligen Mann, dessen Körper nach dem Tod nicht verweste. Wenn der Leichnam eines Heiligen zu verwesen begann, glaubten die Leute, dass der oder die Betreffende vielleicht doch nicht so heilig gewesen war.
    Jedenfalls waren die Körperteile sehr begehrt und wurden in Kirchen

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