Dämon
im Haus gesessen und gelesen oder Piano spielen gelernt und darüber nachgedacht, wie er amerikanische Detectives an der Nase herumführen konnte, wenn er erwachsen war.
Jefferson und McKenna folgten ihm, als er sie nun durch einen langen Gang führte, der zu beiden Seiten von hohen, offenen Fenstern gesäumt wurde. Hinter den Fenstern lagen Gärten, und hinter den Gärten erhoben sich hohe Bäume.
»Gehen wir für einen Augenblick nach draußen«, sagte Ugriumov, indem er sich zu Jefferson und McKenna umdrehte. »Das Museum hat manchmal Ohren, und einiges von dem, was ich Ihnen sagen möchte, sollte möglichst unter uns bleiben.«
Ugriumov lehnte an einer Glastür zwischen den Fenstern und drückte sie auf. Warme Luft strömte ihnen entgegen, und es roch nach Jasmin.
»In dieser Zeit finanzieller Engpässe kann man nie vorsichtig genug sein«, sagte Ugriumov, als McKenna und Jefferson sich an ihm vorbei nach draußen schoben.
Sie betraten einen gepflasterten Weg, der sich durch den Garten wand. Die Anlage erinnerte Jefferson entfernt an den Dachgarten auf dem Lyerman Building mit seinem Whirlpool und den beiden verstümmelten Leichen. In jener Nacht hatte es geregnet, und es war kühl gewesen. Das Blut war in verdünnten Bächen aus dem toten Fleisch von Kenneth Lyerman geflossen. Doch hier in St. Petersburg war der Himmel klar und blau, und kleine Schäfchenwolken schwebten über sie hinweg.
Sie spazierten gemächlich über den Weg; duftende Kräuter streiften ihre Beine, und der Wind rauschte in den Blättern über ihren Köpfen. Sie waren weit weg von der Langeweile und Farblosigkeit St. Petersburgs und noch weiter von der Gewalttätigkeit Bostons. Ugriumovs Haut schimmerte in der Sonne so hell, als wäre er noch nie im Freien gewesen.
»Wie ich schon sagte«, begann er nach ein paar Schritten, »in der Nähe dieses Skeletts, in der gleichen Höhle, fanden wir eine Reihe von Amphoren, wie sie allein in Jericho und der Gegend um das Tote Meer vorkamen, Tausende von Kilometern entfernt von dieser Höhle in China. Als die Amphoren geöffnet wurden, fand man darin drei antike Schriftrollen, eingewickelt in Tuch und Leder. Die Schriftrollen enthielten Fragmente des Alten Testaments und anderer Bücher, von verschiedenen Schreibern verfasst. Die Schriften waren von unterschiedlicher Qualität und schienen über einen längeren Zeitraum niedergeschrieben worden zu sein.
Am Interessantesten war eine kurze erzählende Passage am Ende der dritten Rolle. Dieser Abschnitt berichtete von einer großen Schlacht zwischen einer eingedrungenen Macht aus dem Norden, welche die Stadt Qumran in der Nähe des Toten Meeres belagerte.«
Jefferson genoss die warme saubere Luft hier draußen. Sie roch gut und erinnerte ihn an die öffentlichen Parks in seiner Heimat, der Gegend, wo er aufgewachsen war. Auf dem Weg vom Basketballtraining nach Hause war er stets durch die Gärten gelaufen, hatte die Düfte in sich aufgenommen und seine Lunge von der verpesteten Luft befreit, die Kinder während eines Tages in einer Großstadt einatmen.
Ugriumov erzählte weiter. Er berichtete über die Stadt Qumran. Vier Wesen waren in der Nacht in die ummauerte Stadt eingedrungen und hatten jeden ermordet, der allein auf den Straßen unterwegs war. Der Terror währte zwei Jahre, bevor die Bevölkerung sich zusammentat, Jagd auf das Böse machte und seine Spuren durch die sandige Ebene rings um die Stadt verfolgte.
»Verstehen Sie«, erklärte Ugriumov, als sie unter den Zweigen einer Weide hindurchgingen, »trotz ihrer bösen Kräfte waren diese Wesen leicht zu verfolgen. Sie hinterließen Fußspuren. Tiefe Abdrücke von dreizehigen Klauen.«
Jefferson riss den Kopf herum. Plötzlich war er hellwach, verschlang jedes Wort des kleinen Mannes.
»Ah, ich sehe, jetzt habe ich Ihre Aufmerksamkeit«, sagte Ugriumov ein wenig spöttisch.
»Erzählen Sie weiter«, forderte McKenna ihn auf und schirmte ihre Augen mit der Hand gegen die Sonne ab.
»Zahlreiche zeitgenössische Gelehrte interpretieren diese Passage in den Schriftrollen als eine metaphorische Beschreibung der römischen Invasion Qumrans während der Eroberungszüge der Legionen durch das nördliche und östliche Judäa.«
»Aber Sie sind anderer Meinung?«
Ugriumov zuckte die Schultern, eine knappe Bewegung, die unter dem Stoff seines Anzugs kaum zu erkennen war. »Das Datum stimmt nicht. Die römische Invasion Judäas fand im Jahre 67 statt, und dabei wurde Qumran völlig zerstört.
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