Dämon
durchbohren.
»Vor mir liegen dunkle Wasser«, sagte er. »Ich kann sie sehen. Es ist, als wäre ich an Bord eines Schiffes, vor dem sich ein Sturm zusammenbraut. Ich steuere mitten ins Herz der Dunkelheit.«
Ich stand vor ihm und wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Mein Gott, Brogan!«, hörte ich Vincent hinter mir. Vorsichtig streckte er die Hand nach Brogan aus. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Ob alles in Ordnung ist?«, fragte Brogan und drehte sich zu ihm.
»Ja. Du benimmst dich so … eigenartig.«
»Eigenartig? Es geht mir gut, sehr gut.«
Ich bemerkte, wie sich die Bleiglasfenster rings um uns allmählich veränderten. Das schwarze Glas verschwamm. Die Fackeln entlang der Wände flackerten; ein kalter Wind hatte sich in der Kapelle erhoben und strich über die Kirchenbänke hinweg. Brogan stand erhobenen Hauptes vor dem Altar und sah sich mit funkelnden Augen um.
Schließlich blieb sein Blick auf Vincent und mir haften. »Ich weiß jetzt, wer ich bin«, sagte er. »Ich weiß, wer ich immer war …«
»Wovon redest du?«
»Einst gab es einen großen Krieger, einen ›Vollkommenen Krieger‹, der ohne Erbarmen und Mitleid tötete, ohne jedes Schuldgefühl, so wild und brutal, dass man ihn für besessen hielt … von einem Dämon besessen.«
»Was bedeutet das?«, flüsterte Vincent.
»Der Name dieses Kriegers war Sidina«, fuhr Brogan fort und senkte die Stimme. Die Worte kamen aus seinem Mund, ohne dass er die Lippen bewegte. »Mein Name ist Sidina.«
Vincent packte meinen Arm. »Komm, lass uns verschwinden! Irgendwas stimmt hier nicht.«
Ich nickte, und langsam wichen wir durch den Mittelgang vor Brogan zurück.
»Ihr werdet euch mir anschließen«, sagte Brogan langsam. »Ihr beide seid auserwählt.«
»Auserwählt?«, fragte ich. Eisige Furcht, gepaart mit Faszination, stieg in mir auf.
»Auserwählt … schließt euch mir an«, fuhr Brogan fort. Er starrte uns an, und sein Gesicht veränderte sich. Es wurde kantiger, und die Haut spannte über den Knochen. »Schließt euch mir an, und ihr werdet ewig leben, so wie ich. Und wenn wir den Vierten im Bunde finden, werden wir wieder zusammen sein, so wie wir schon sechshundert Jahre lang zusammen waren.« Er setzte sich langsam in Bewegung, kam in unsere Richtung und wurde immer schneller.
»Lass uns verschwinden!«, schrie Vincent auf. »Das geht nicht mit rechten Dingen zu!«
Ich nickte, und wir wichen zur Eisentür zurück und rannten durch den Steinkorridor davon. Die Fackeln an den Wänden brannten immer noch hell und beleuchteten die Darstellungen von Schlachten entlang der Mauern. Hinter uns hörten wir Brogan aufbrüllen.
»Was ist das, um Himmels willen?«, rief Vincent, während wir durch den Gang rannten. »Er ist völlig wirr im Kopf! Wir müssen von hier verschwinden, müssen uns in Sicherheit bringen …!«
Vor uns lag die Treppe, die nach oben in den unterirdischen Tempel führte. Wir waren fast da, als ich hinter uns einen Schuss hörte. Ich drehte mich um und sah, wie Vincent herumgerissen wurde und auf die Knie sank. Auf seinem Gesicht spiegelten sich Schmerz und Fassungslosigkeit. Er verharrte kniend am Boden; dann peitschte ein weiterer Schuss. Die zweite Kugel zerriss Vincent die Brust. Ich starrte voller Entsetzen zu ihm hinunter. Er hatte den Mund geöffnet und umklammerte seine Brust, während die Luft pfeifend durch das Loch in der zerfetzten Lunge entwich.
Ein dritter Knall ertönte, und diesmal traf die Kugel Vincent in der Schulter. Blut spritzte gegen die Wand.
Ich blickte zu Brogan und erkannte, dass er nun auf mich zielte. Ich sah den Mündungsblitz und warf mich gleichzeitig mit dem Knall zur Seite. Etwas zischte heiß über meinen Arm dicht unterhalb des Ellbogens. Ich wirbelte herum und stürmte die Treppe hinauf.
Hinter mir war jetzt tiefe Stille. Der Tempel lag verlassen. Die Leichen der getöteten japanischen Soldaten waren verschwunden, und nur die schwarzen Blutflecken auf dem Boden verrieten, wo sie gelegen hatten. Mein Arm brannte wie Feuer und hing kraftlos an der Seite herab. Das Gewehr rutschte mir von der Schulter und fiel klappernd zu Boden. Ich starrte auf die Wunde, dann hörte ich Füßetrappeln von unten. Brogan folgte mir die Treppe hinauf.
Ich eilte an der Säulenreihe entlang und unter der schwarzen Decke mit den funkelnden Juwelen hinweg. Mir war schwindlig, und ich fühlte mich schwach vom Blutverlust. Schließlich duckte ich mich hinter eine Säule und rutschte daran zu
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