Dämon
blickte genauer hin und erkannte Q’s Boxershorts, nass und dunkel glänzend von Blut. Er musste nicht noch mehr sehen, um zu wissen, dass Q tot war – und schrecklich zugerichtet.
Saint erschauerte und wich langsam aus dem Zimmer zurück. Er hörte, wie irgendwo unten eine Tür ins Schloss fiel, gefolgt vom Geräusch rennender Füße.
»Cool bleiben, Saint …«, sagte er zu sich selbst.
Am Ende des Korridors befand sich die dritte Tür; sie war geschlossen. Saint legte ein Ohr ans Türblatt, lauschte und vernahm ein leises Tropfen aus dem Innern. Der Türgriff fühlte sich kalt und klamm in seiner Hand an.
Hinter ihm knarrte eine Treppenstufe. Er drehte sich um und erblickte einen Schatten an der gegenüberliegenden Wand. Jemand war auf der Treppe; der Schatten stammte von der Beleuchtung im tieferen Stockwerk und war merkwürdig lang; irgendetwas daran war unnatürlich, nicht menschlich. Saint schlug das Herz bis zum Hals, als er auf den Schatten starrte und fieberhaft überlegte, was daran nicht stimmte. Die Gestalt war unnatürlich gestreckt, als hätte jemand daran gezerrt und sie bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Die Arme waren lang und liefen spitz aus, der Leib war hager, und der Schatten des Kopfes sah aus, als besäße die Kreatur einen Schnabel und keinen Mund.
Während Saint darauf starrte, ging plötzlich ein Ruck durch die Gestalt, und sie setzte sich lautlos die Treppe hinauf in Bewegung. Ihre langen Arme hingen reglos an den Seiten herab, und der Leib schwankte hin und her, während sie nach oben schlich.
Saint wandte sich wieder der Tür zu, hinter der das tropfende Geräusch zu hören war. Er drehte den Knopf und zog die Tür auf. Im Zimmer dahinter stand eine weiße Badewanne auf vier Porzellanfüßen. Five kauerte in der Wanne, eigenartig verkrümmt. Als Saint die Tür aufriss, sprang er unsicher schwankend auf.
»Five! Was ist?«, fragte Saint mit schriller Stimme.
Five antwortete nicht. Er schwankte wie betrunken hin und her, und seine Füße schienen den Boden der Wanne kaum zu berühren.
»Five, alles in Ordnung?«
Five starrte Saint aus leblosen Augen an. Er hatte ein Seil um den Hals. Saints Blick folgte dem Seil hinauf zur Decke, wo es über einen Balken geworfen worden war und von dort aus wieder nach unten zum Türgriff führte. Es war straff gespannt, als hinge ein schweres Gewicht daran.
Five stand immer noch schwankend in der Wanne und sagte kein Wort. Dann war erneut das tropfende Geräusch zu hören. Saint sah, wie sich ein Blutstropfen auf Fives Fingerspitze bildete, einen Augenblick zitternd verharrte und dann in die Wanne tropfte.
Five war tot.
Dass er stand, war nur eine Illusion. Er hing an dem Seil, das um seinen Hals geschlungen war und ihn wie eine Marionette baumeln ließ. Wer immer ihn umgebracht hatte, er hatte ein makabres Spiel daraus gemacht. Fives Leichnam war mit der Tür verbunden. Als Saint die Tür geöffnet hatte, war Five am Seil aus der Wanne gezerrt worden. Nun schloss Saint die Tür wieder, und die Illusion von Leben schwand. Five sank schlaff und leblos in die Wanne zurück.
»O Gott …«, flüsterte Saint, und Tränen der Angst stiegen ihm in die Augen.
Er blickte sich im Badezimmer um, suchte nach einer Möglichkeit, diesem Grauen zu entfliehen.
Dann hörte er vor der geschlossenen Tür erneut die Treppenstufen knarren.
Jefferson und Brogan bogen von der 93 ab und fuhren in Richtung Chinatown. Es war kurz vor drei Uhr morgens. Die Nutten waren immer noch auf den Straßen, standen in kleinen Gruppen unter Laternen oder klapperten auf grotesk hohen Absätzen am Straßenrand auf und ab. Brogan winkte ein paar vertrauten Gesichtern zu, als sie langsam durch eine Nebenstraße fuhren. Auf einem kleinen Parkplatz stand ein großer schwarzer Lincoln mit laufendem Motor. Zwei junge Schwarze saßen darin, Mobiltelefone am Ohr, während sie die Frauen im Auge behielten.
»Sieh dir diese Typen in ihren Baseballmützen und Hockeyjerseys an«, sagte Brogan und nickte in Richtung der beiden Zuhälter. »So kann man auch die Karriereleiter raufsteigen, Bruder. Gott segne Amerika.«
Sie fuhren nach Chinatown, um Richard Lee in dessen Restaurant zu besuchen, den Gangster, den Lyermans Bodyguard erwähnt hatte. Das Green Tea war ein kleiner Laden, eingezwängt zwischen einem Wohnhaus und einem Supermarkt. Das schlichte Schild über dem Eingang war mit chinesischen Schriftzeichen bemalt. Die Tür lag im Souterrain; eine kurze Treppe führte vom
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