Dämon
Boxershorts waren aus Seide und mit roten Herzen bedruckt. Auf der Rückseite stand: »I Love You Baby.«
Saint und Five starrten ihn schweigend an. Five presste die Hand auf den Mund und schüttelte sich in lautlosem Lachen. Q stand vor den beiden anderen, die weiße Strumpfhose über dem Kopf, die Schwitzhose auf den Knöcheln und nichts am Leib außer der lächerlichen Boxershorts.
»Was zur Hölle ist das, Q?«, flüsterte Saint und unterdrückte mühsam sein Lachen.
»He, Mann, ich hatte ja keine Ahnung, dass ich euch meine Unterhose zeige! Wie ich schon sagte, ich will noch zu meiner Braut. Sie hat mir das Ding zum Geburtstag geschenkt, und sie mag es, wenn ich sie anziehe.« Q stieg vollends aus der langen Hose und legte sie in eine Ecke. »Leckt mich! Lacht euch von mir aus kaputt!«
»Jesses, wir können die Kanonen wieder einstecken! Wenn du dich oben mit diesen Klamotten zeigst, gibt Sinatra uns das Manuskript freiwillig, nur damit du schnell wieder verschwindest«, flüsterte Five.
»Bist du endlich fertig, ja? Können wir jetzt anfangen? Ich bin nicht hier, um die ganze Zeit in der Waschküche von dem Typen rumzuhängen.«
Five nickte. »Du hast Recht. Also los.«
Q ließ seine Hose zurück, und die drei Männer gingen leise durch den Flur des Anwaltshauses. Five und Q wandten sich nach rechts und stiegen leise die Treppe hinauf, die Waffen schussbereit. Saint postierte sich an der Vordertür und blickte zum Fenster hinaus. Die Straße lag so leer da wie bei ihrer Ankunft, und die Gaslaternen flackerten lautlos in ihren gläsernen Gehäusen. Neben der Haustür befand sich ein Esszimmer, die Lichter dunkel; ein Stück weiter erblickte Saint eine große Küche. Schwere Töpfe hingen an Haken von der Decke.
Plötzlich gellte im ersten Stock ein Schrei. Dann hörte er Q’s Stimme, die Worte undeutlich, aber unüberhörbar laut und wütend. Glas splitterte.
»Mach bloß keine Dummheiten, Q!«, flüsterte Saint vor sich hin.
Saint warf einen Blick auf die Uhr. Sie waren erst seit sieben Minuten im Haus. Unten war weiterhin alles ruhig. Saint blickte sich um. An der Wand der Eingangshalle hing ein langer Teppich hinter einem Kerzenleuchter, dessen Glasarme wie die Tentakel eines Oktopus aussahen.
Das Esszimmer war dunkel; der bleiche Schein der Straßenlaternen warf lange Schatten auf den Boden. Schemenhaft war ein großer Tisch zu erkennen, auf dem irgendetwas lag. Eine Rolle vergilbter Blätter, mit einer Schnur zusammengebunden. Saint ging zum Tisch, entrollte die Blätter und breitete sie langsam aus. Das war es, wonach sie gesucht hatten! Verdammt, es war so einfach! So leicht hatte Saint noch nie fünf Riesen verdient. Er rollte die Blätter zusammen und schob sie in seine Jackentasche. Dann wandte er sich ab, um nach oben zu Q und Five zu rufen, als sein Blick auf etwas anderes im Zimmer fiel.
Ein scharfer Stich durchzuckte Saint, und sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Jemand saß in einem der Stühle. Ganz still, in einer dunklen Ecke. Die Gestalt starrte ihn direkt an. Saint stieß unwillkürlich einen Schreckenslaut aus.
Die Gestalt im Stuhl regte sich nicht.
Saint blickte erneut hin. »Hallo?«
Langsam näherte er sich. Im schwachen Licht der Straßenlaternen erkannte er, dass es eine Frau war. Sie war jung, attraktiv, mit kurzen braunen Haaren und einem langen grauen Morgenmantel, der ihr bis zu den nackten Füßen reichte.
Saint hob die Hände und flüsterte: »Miss?«
Sie starrte unverwandt weiter nach vorn, die Augen starr, der Mund in angstvollem Entsetzen aufgerissen. Saint näherte sich ihr langsam, und Schuldgefühle regten sich in seinem Innern.
»Ich will Ihnen keine Angst machen, aber Sie müssen mir zuhören«, flüsterte Saint und blickte sich vorsichtig zur Treppe um. »Diese Typen, mit denen ich gekommen bin, sind Irre. Sie müssen sich verstecken, Lady, bevor sie wieder nach unten kommen, okay?«
Von oben ertönte ein weiteres krachendes Geräusch, als etwas Schweres zu Boden polterte.
Langsam bewegte er sich auf die Frau zu. Sein Fuß landete in einer dunklen, zähen Pfütze, die sich auf dem Boden des Zimmers gebildet hatte. Wahrscheinlich hatte die Frau in ihrer Angst etwas verschüttet. In der Dunkelheit sah die Flüssigkeit wie dicker Kaffee aus.
Die Frau regte sich immer noch nicht, und ihr Gesicht zeigte Todesangst. Saint streckte die Hand aus und berührte sie mit seinem Handschuh vorsichtig an der Schulter. Ihr Kopf rollte kraftlos in den Nacken,
Weitere Kostenlose Bücher