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Daemonen in London

Daemonen in London

Titel: Daemonen in London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan R. Corwyn
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sich, Großvater wäre an
ihrer Seite und könnte ihr sagen, ob sie auch alles richtig
machte.
    Aus
seinen Erzählungen wusste sie, dass er ihren Vater auf diese
Weise ausgebildet hatte. Nach den ersten Jahren des Trainings waren
er und sein Schwiegersohn noch viele Male gemeinsam unterwegs
gewesen, hatte der alte Meister seinem Schüler den letzten
Schliff gegeben, ehe er ihn schließlich alleine losziehen ließ.
    Keeva
spürte ein intensives Gefühl des Bedauerns. Und eine
leichte Wut über ihren Vater. Sie konnte ja verstehen, dass
dieser den Tod ihrer Mutter und ihres Bruders nicht hatte überwinden
können – sie selbst litt ja ebenfalls noch immer darunter
-, aber warum kämpfte er nicht wenigstens weiterhin gegen die
Ungeheuer, die ihm das angetan hatten?
    Sicher,
vor zehn Jahren, in dieser schrecklichen Nacht, war das letzte Tor in
London geschlossen worden. Aber es gab nicht nur hier Tore, sondern
auch überall sonst in der Welt. Und selbst wenn ihr Vater nicht
mehr reisen wollte, so hätte er spätestens jetzt die
Gelegenheit gehabt, den Kampf erneut aufzunehmen. Stattdessen saß
er nur zuhause herum und bemitleidete sich selbst.
    Keeva
schämte sich für diesen Gedanken noch im gleichen
Augenblick, an dem er ihr durch den Kopf geschossen war, konnte ihn
jedoch nicht mehr verdrängen. Sie liebte ihren Vater, aber es
war nicht zu leugnen, dass sie sich von ihm enttäuscht fühlte.
Und ihn vermisste.
    Das
kleine Mädchen in ihr wünschte sich den großen
Beschützer an seine Seite. Großvater war zu alt dafür,
außerdem hatte dieser seinen Teil bereits getan und schon vor
vielen Jahren aufgehört, aktiv zu jagen. Er hatte das
Dämonenjägergeschäft an seinen Schwiegersohn übergeben
und dieser war über Jahre hinweg einer der bekanntesten
Vertreter seiner Zunft gewesen. Gerade jetzt wäre Keeva nur zu
gerne mit dem einstmals berühmten Liam McCullen zusammen auf die
Jagd gegangen, anstatt hier alleine herumzuschleichen.
    Sie
war gerade um eine Ecke gebogen, als sie hinter sich ein Scheppern
hörte. Sofort sprang sie zur Seite und presste sich an die
Hausmauer. Was war das? Hoffentlich nur ein später
Spaziergänger.
    Eine
Sekunde später schepperte es ein zweites Mal und eine verbeulte
Getränkedose schlitterte über den Boden, gefolgt von einer
spielenden Katze.
    Keeva
entspannte sich. Für einen Augenblick hatte sie doch tatsächlich
geglaubt, sie wäre am Versteck des Höllenhundes
vorbeigegangen, hätte ihn aus Versehen geweckt und dieser wollte
sich nun gerade auf sie stürzen. Sie schüttelte über
sich selbst den Kopf und sah der Katze für einen kurzen Moment
lächelnd hinterher.
    Während
sie weiterlief, rief sich noch einmal ins Gedächtnis, dass der
Dämon vollgefressen war und jetzt tief und fest schlief. Sie
brauchte also keine Angst zu haben. Solange sie nur darauf achtete,
nicht übermäßig viel Lärm zu erzeugen, bestand
auch keine Gefahr, ihn unbeabsichtigt aufzuscheuchen und im wachen
Zustand zu überraschen.
    Trotzdem
klopfte ihr Herz nun schneller. Einmal mehr merkte sie, wie grün
sie noch hinter den Ohren war. Ihr Vater oder ihr Großvater
hätten sich bei so einem harmlosen Geklapper wahrscheinlich
nicht aus der Ruhe bringen lassen. Sie besaßen genug Erfahrung,
um natürliche Geräusche von unnatürlichen zu
unterscheiden, sie hingegen musste diese Erfahrungen erst sammeln.
    Und
jetzt bin ich gerade dabei, das zu tun, dachte sie trotzig und
verdrängte ihre Wehmut.

    *

    Shane
sah vorsichtig um die Hausecke.
    Erleichtert
stellte er fest, dass das Mädchen weiterlief. Glücklicherweise
war gerade zur rechten Zeit eine Katze aus einem der Hausdurchgänge
auf die Straße geschlüpft und er hatte sie mit einem
leichten Schubs seines Fußes davon überzeugen können,
dass es eine wunderbare Idee war, der Blechdose hinterher zu
springen. Derselben Dose, über die er, Shane, eine Sekunde zuvor
ungeschickt gestolpert war.
    Wenn
das Mädchen zurückgegangen wäre, dann hätte sie
ihn todsicher gesehen. An dieser Stelle gab es keine Möglichkeit,
sich zu verstecken. Jedenfalls nicht für jemanden, der größer
war als eine Katze.
    Er
nahm sich vor, deutlich vorsichtiger zu sein. Er wollte nicht von ihr
gesehen werden, noch nicht. Erst wollte er mehr über sie in
Erfahrung bringen, wollte wissen, warum eine professionell
ausgebildete, aber unerfahrene Dämonenjägerin – er
konnte es noch immer nicht fassen, dass es sich um eine Frau handelte
– auf den nächtlichen Straßen Londons

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