Daemonen in London
bei der Auswahl sorgsam abwägen,
was sie tatsächlich benötigte.
Der
Höllenhund war ein niederer Dämon, konnte sie also weder
aufspüren noch übernehmen. Demzufolge brauchte sie keinen
Schutztrank. Allerdings konnte er im Dunkeln ausgezeichnet sehen und
würde sich höchstwahrscheinlich auch einen möglichst
schwach beleuchteten Unterschlupf gesucht haben.
Also
zog Keeva eine Phiole mit dem Trank heraus, der ihre eigene
Nachtsichtfähigkeit verstärkte. Sie würde ihn
allerdings erst dann schlucken, wenn sie den Unterschlupf des
Untieres bereits gefunden hatte, denn der Trank wirkte so stark, dass
bereits Licht von der Helligkeit einer Kerze sie blenden und sie
jegliche Orientierung verlieren lassen würde. Außerdem
hielt die Wirkung des Trankes nur für wenige Sekunden an.
Nach
kurzem Überlegen griff sie zu einem weiteren Trank, einem, der
ihr das Aufspüren des Dämons erleichtern würde. Das
Benutzen dieses Trankes war nicht ganz ohne Risiko: Er machte sie
selbst nämlich ebenfalls auffindbar, als würde sie damit
eine Leuchtreklame auf ihrem Kopf einschalten. Diese wäre
allerdings nur für einen höheren Dämon sichtbar - oder
für einen ausgebildeten Dämonenjäger. Da Keeva aber
mit keinem von beidem rechnete, beschloss sie den Trank zu nutzen. Er
würde ihre Suche deutlich beschleunigen.
Zufrieden
mit ihrer Auswahl schloss sie den Schrank. Sie steckte die beiden
Phiolen mit den Tränken in einen extra dafür gefertigten
Gürtel und band ihn um. Dann nahm sie die Pfeile der Armbrust,
tränkte sie sorgfältig mit dem Gift und lud die kleine
Waffe. Ein Sperrriegel verhinderte, dass sie ungewollt ausgelöst
werden konnte. Anschließend nahm Keeva ihre Wurfmesser und trug
auch hier das Gift auf.
Sie
stellte das Giftfläschchen beiseite und überprüfte ein
letztes Mal ihre Ausrüstung. Alles war perfekt, es konnte also
losgehen. Sie benutzte nicht die Haustür, um auf die Straße
zu gehen, sondern schlüpfte durch einen versteckten Ausgang aus
dem Keller direkt in den Hinterhof des Hauses. Dort blieb sie kurz
stehen, sammelte sich und atmete tief die kühle und klare Luft.
Ihr
Herz klopfte wild in einer Mischung aus Angst und Vorfreude. Wie
würde es sein, endlich einem dieser Scheusale als ebenbürtiger
Gegner gegenüberstehen zu können – und nicht mehr nur
als verängstigtes Kind?
Nun,
sie würde es gleich wissen. Sie war fest entschlossen, den Dämon
zur Strecke zu bringen, und zwar noch heute Nacht!
*
Eine
halbe Stunde später stand Keeva vor dem Park, von dem Edward
Skeffington gesprochen hatte. Die Polizeisperre war verschwunden und
der Eingang wieder unbewacht, doch die Spuren auf dem Boden zeigten,
wie viele Menschen sich hier im Laufe des Tages aufgehalten haben
mussten. Am Rande der Mauer lagen noch Reste des gelben Absperrbandes
mit der schwarzen Aufschrift, die vor dem Betreten des Tatortes eines
Verbrechens warnte.
Keeva
stellte sich in den Mauerdurchlass, drehte dem Park den Rücken
zu und betrachtete aufmerksam die Straßen und Häuserreihen
vor sich. Dort irgendwohin hatte sich der Dämon letzte Nacht
geflüchtet. Und dort würde sie ihn stellen und töten.
Sie
zog die Phiole mit dem Aufspürtrank heraus und nahm einen großen
Schluck. Um sich auf die Spur des Dämons einzustimmen, betrat
sie jetzt den Park, holte ihre kleine Taschenlampe heraus und suchte
nach Fußabdrücken. Ein dunkler Bereich neben dem Kiesweg
markierte die Stelle, an der der Mann, Jeremy, getötet worden
sein musste. Sie verspürte deutlich einen Nachhall dämonischer
Aktivität.
Keeva
schluckte, als ihr das Ausmaß des Blutflecks klar wurde. Konnte
das tatsächlich nur das Blut eines einzigen Menschen gewesen
sein? Der Fleck war so groß...
Sie
unterdrückte die Panik, die in ihr hochsteigen wollte. Wenn sie
jetzt kniff, dann würde sie niemals eine Dämonenjägerin
sein – sondern immer nur eine ängstliche Frau. Also
straffte sie sich und versuchte, die Menge des versickerten Blutes zu
ignorieren und stattdessen nach Spuren des Dämons Ausschau zu
halten. Doch auch nach intensivem Suchen war hier nichts mehr zu
finden. Wenn jemals Spuren dagewesen waren, so hatte die Polizei sie
absichtlich oder unabsichtlich zerstört.
Keeva
verließ den Park und durchsuchte dessen nähere Umgebung.
Und tatsächlich, nach nur wenigen Metern wurde sie fündig.
Sie ging in die Hocke und strich mit dem Finger über einen
winzigen grünen Fleck auf dem Asphalt, den sie ohne die
verstärkende Wirkung des
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