Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
bezaubernder
Gabriel nach seiner Bloßstellung verschwunden, und sie will bei Bernadette nachfragen, ob sie weiß, wo er steckt. Schließlich verbindet die beiden doch eine Art geschäftliche Beziehung miteinander, um es mal diplomatisch auszudrücken. Warum bloß haben wir nicht unseren Mund gehalten?«
Liv brummte nur ausweichend. Die Erwähnung von Bernadettes Namen hatte ein
Steinchen ins Rollen gebracht, und während es die Stationen ihrer jüngeren Vergangenheit entlangrollte, begriff sie langsam, wo es liegen bleiben würde: bei dem Moment, in dem Liv einen Teil ihres Selbst verloren hatte, ohne sich dessen bewusst zu sein. Es war zur gleichen Zeit passiert, als sie Bernadette kennengelernt hatte. Konnte das ein Zufall sein?
Kapitel 34
Zahltag
Es kam Ella wie ein Wunder vor, dass sie Kimis Fahrrad unbeschädigt bis zu der
Adresse manövrierte, die Sören ihr eben am Telefon durchgegeben hatte. Sie war mit den Nerven am Ende, sodass ihr die eine oder andere tiefrote Ampel auf dem Weg glatt
entgangen war. Und auch die Bremse hatte sie ignoriert, selbst wenn sie deshalb
halsbrecherisch die Kurven nehmen musste. Zu wertvoll erschien ihr jede Minute.
Es ging bereits auf einundzwanzig Uhr zu. Obwohl Ella, nachdem sie voller Entsetzen im Spiegelzimmer erwacht war, nicht länger als eine knappe Stunde gebraucht hatte, um einen Plan zu fassen und vor diesem modernen Wohnhaus aufzuschlagen, kam sie sich vor, als hätte sie ein halbes Leben vertan. Das Bild von Gabriel, wie er im Labyrinth umherirrte, hatte sich in ihrem Kopf festgesetzt, und mit jeder ungenutzt verrinnenden Sekunde glaubte sie, neue Risse in seinem Abbild zu entdecken. Ihr blieb also nicht einmal die Zeit, über das nachzudenken, was sie sich vorgenommen hatte. Aber selbst wenn ihr diese Zeit
zugestanden worden wäre, hätte es nichts geändert. Es gab nur einen Weg, um Gabriel zu retten, und den würde sie beschreiten, egal, was es kostete.
Glücklicherweise hatte Sören nicht nachgefragt, warum sie Bernadette einen Besuch
abstatten wollte, sondern ihr ohne Weiteres die Adresse genannt. Mit seinen Gedanken war er währenddessen eindeutig bei seinem Sohn gewesen. Unter anderen Umständen hätte Ella sich darüber gefreut, dass bei ihrem Bruder endlich ein Umdenken stattfand. Obwohl Kimi vermutlich wenig Neigung verspürte zurückzukehren, so brauchte er seine Eltern doch.
Zumindest seinen Vater, korrigierte sie sich sofort. Bei Liv mit ihrer Eiseskälte war sie sich da nicht mehr so sicher.
Als Ella an der Wohnungstür dieser Bernadette klingelte, fragte sie sich zum ersten Mal, mit was für einer Frau sie eigentlich rechnete. Wer war die Person, die Gabriel in ihr Bett genötigt hatte? Bevor Ella sich eine Vorstellung machen konnte, öffnete sich die Tür, und eine atemberaubende Brünette stand im Spalt. Auf dem Weg zur Tür hatte sie sich nicht die Mühe gemacht, ihr Whiskeyglas abzustellen, und nun schlugen die Eiswürfel gegen die Innenseite, weil ihre Hand zitterte.
»Ich hoffe, es ist etwas Wichtiges«, raunte sie mit einer für eine Frau ungewöhnlich tiefen Stimme.
»Bernadette, nehme ich an? Ich komme wegen Gabriel.«
Mit einem Aufschrei wollte die Frau die Tür zuschlagen, doch diese Reaktion hatte Ella erwartet und hielt dagegen. Als würden sie die letzten Reste an Kraft verlassen, gab Bernadette nach.
Ohne auf eine Einladung zu warten, trat Ella ein. Entgegen ihrer sonstigen Art musterte sie ihr Gegenüber vom Kopf bis zu den Füßen. Bernadette war eine schöne Frau, der die Natur von allem genau das richtige Maß mit auf den Lebensweg gegeben hatte. An manchen
Stellen sogar ein wenig mehr, wie Ella dank des Spitzennachthemds bemerkte. Instinktiv verschränkte Bernadette die Arme vor der Brust, ohne zu bedenken, dass sie das volle Whiskeyglas in der Hand hielt. Als ihr die bernsteinfarbene Flüssigkeit über die Taille rann und auf den Boden tropfte, sah es für einen Moment so aus, als würde sie in Tränen
ausbrechen.
Bei so viel Elend musste Ella sich in Erinnerung rufen, wer das war, der dort vor ihr stand.
Es fiel ihr nur schwer, dieses zerrüttete Geschöpf mit der Frau in Verbindung zu bringen, die Gabriel betrogen und an den Inkubus ausgeliefert hatte. »Ich muss zugeben, dass ich
verblüfft bin«, gestand sie. »Jemanden, der ein solches Unheil anzurichten in der Lage ist, stelle ich mir eigentlich anders vor. Nicht so armselig irgendwie. Seltsam. Aber die ganze Geschichte ist ja ausgesprochen
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