Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
gerade bedienst«, stellte sie überrascht und dann zunehmend ungehalten fest. »Das ist mein Traum, du elender Dieb. Er gehört mir! Und wenn ich ihn mit jemandem teilen will, dann mit dem echten Gabriel und nicht mit einem Eindringling, der sich hinter seinem Abbild versteckt. Schluss damit!«
Ein lautes Knacken ertönte.
Zeitgleich mit dem Inkubus sah Ella auf dessen Brust, in die sich ein Spalt gegraben hatte.
Keine Wunde, aus der Blut hervordrang oder die gar verletztes Gewebe offenbarte. Nein, ein Haarriss wie bei einem beschädigten Spiegel.
Ohne Zögern schlug Ella gegen den Riss, und feine Verästelungen taten sich auf, wuchsen weiter, bis der gesamte Oberkörper mit Rissen übersät war.
Der Inkubus nahm sein Auseinanderbrechen hin. »Ich bin ein Dieb. Ein Dieb, der etwas hat, das du unbedingt willst. Wenn du dich also nicht bestehlen lässt, dann bist du vielleicht bereit, zu tauschen. Einen Traum gegen eine Liebe. Tu dir selbst einen Gefallen und denk über mein Angebot nach. Wenn du zu lange brauchst, dann wird da nämlich niemand mehr sein, den ich zum Tausch anbieten könnte«, sagte er mit seiner trotz der bitteren Worte berauschenden Stimme.
»Warum sollte ich dir glauben, dass du Gabriel überhaupt in deiner Gewalt hast? Alles, was du bislang geboten hast, waren Lügen.«
»Ich habe keineswegs behauptet, ihn in meiner Gewalt zu haben. Wie sollte ich auch? Er hat sich mir schließlich entzogen. Zumindest das ist ihm gelungen, auch wenn es ihm nicht die erhoffte Rettung gebracht hat. Ich weiß allerdings, wo er ist. Und ich weiß, dass er von dort niemals einen Weg zurückfinden wird. Wenn du ihn willst, brauchst du meine Hilfe.«
Nur mit Mühe konnte Ella den Wunsch unterdrücken, dem Inkubus alles zu geben, was er wollte, um Gabriel zurückzubekommen. »Du hast dich nicht gerade als vertrauenswürdig erwiesen. Woher weiß ich, dass dieses Angebot nicht ein Trick ist, mit dem du an meinen Traum gelangen willst?«
»Heißt es nicht, wer mit einem Dämon verhandelt, weiß nie, worauf er sich einlässt? Aber denk nach: Bei diesem Handel liegt der Vorteil eindeutig auf meiner Seite, denn ich
bekomme einen wundervollen Traum, und Gabriel kehrt dorthin zurück, wo er hingehört. An dem Ort, wo er jetzt ist, nutzt er keinem von uns etwas«, sagte der Inkubus. »Überleg es dir, und wenn du eine Entscheidung getroffen hast, komm zu mir. Du weißt jetzt ja, wie du mich finden kannst. Geh einfach zu einem von denen, die geglaubt haben, mit mir spielen zu können. Die sich vor mir verstecken und mir meinen Tribut vorenthalten. Grüß sie von mir und richte ihnen aus, dass ich mich auf ein baldiges Wiedersehen freue. Es ist Zeit für die Rückrunde, und ich habe vor, alle ausstehenden Schulden einzutreiben.«
Als Ella den Blick des Inkubus erwiderte, grub sich ein Riss durch seine Iris und spaltete sie. Mit einem Entsetzensschrei brach sie aus der Umarmung und sah, wie er in Splitter zerbrach. Und während sie noch um ihr Gleichgewicht kämpfte, schmolzen die Splitter zu einer silbrigen Lache, die in den Rahmen floss und ihn ausfüllte. Das Spiegelglas zeigte jedoch nicht etwa ihr von Panik gezeichnetes Gesicht, sondern ein Labyrinth. Unendlich groß, voller scharfer Zacken und Kanten, wie gebrochenes Glas. Und was sie in diesem Labyrinth entdeckte, ließ sie verstummen.
-
Immer noch geblendet, versuche ich einen Weg zu finden. Wobei… nein … Ein Weg wäre ja etwas, doch hier ist nichts. Nur grelles Licht, so schneidend scharf, dass ich mich wie zerstückelt fühle.
Aber das kann nicht sein!
Denn wenn ich die Hände vorstrecke, ist da – nichts.
Wenn ich mich auf die Knie fallen lasse, spüre ich keinen Grund.
Mein Fuß bleibt an keinerlei Hindernis hängen.
Und trotzdem. Da muss ein Widerstand sein, an dem ich mich zerreibe. Feiner und feiner zerreibt es mich. Ich weiß es. Da sind Dinge, die mir fehlen. Abgestorbene Gedanken, abhandengekommene Gefühle. Aus den Schnitten, die ich nicht ertasten kann, fließen Erinnerungen. Aus den Wunden, die mir beigebracht werden, fallen Ideen und Wünsche. Ich blute aus. Ich weiß es. Noch.
-
Ella stand noch lange regungslos da, selbst als das Bild von Gabriel im Labyrinth dunkel anlief. Dann ertönte plötzlich ein ohrenbetäubendes Krachen: Schlagartig war das
Spiegelglas von unzähligen Rissen durchzogen und zerfiel im nächsten Augenblick samt Rahmen zu Staub, den der einfallende Sommerwind aufwirbelte.
Ungläubig starrte Ella auf die leere
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