Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
freundschaftlich gemeint hielt und er mich um keinen Preis vor den Kopf stoßen wollte, indem er sich mir plötzlich näherte. So ein verquerer Gedanke würde ihm nämlich durchaus ähnlich sehen … Gregor mit seiner Ritterseele. Nachdem er dem Trennungsjahr jedoch ohne irgendwelche Anstalten zugestimmt hat, sieht es ganz danach aus, dass ich mich geirrt habe.
Auf seiner Seite ist da nie ein Gefühl gewesen. Das habe ich mir nur eingebildet, ich verliebte Gans.«
Ein Klopfen an der Küchentür ließ die beiden Freundinnen zusammenfahren.
»Mist! Kimi …«, stieß Ella hervor.
In einem Mordstempo goss sie ihren Sekt in den Ausguss, während Nora der Atem
stockte. Sie war immer noch außerstande, einen Ton hervorzubringen, als Ella endlich begriff, dass es keineswegs Kimi war, der die Teetassen-Tarnung durchschaut hatte.
Gregor stand in der Tür und blickte zu Boden, sodass Nora nicht in seinen Augen lesen konnte. Diesen tiefblauen Augen, die sie von Anfang an in ihren Bann gezogen hatten, weil sie so ungewöhnlich in seinem dunklen Gesicht wirkten.
»Die Klingel funktioniert leider nicht«, erklärte Gregor dem Fußboden. Dann hob er endlich den Blick, richtete ihn jedoch nur auf Ella. »Soll ich das für dich in Ordnung bringen?«
Einen Moment lang stand Ella da, unschlüssig, ob sie nun ihrer Freundin den Rücken
tätscheln oder den Neuankömmling begrüßen sollte. Dann zog sie die Unterlippe ein, und Nora wusste, was ihr durch den Kopf ging: Gregor hatte zumindest ihren letzten Satz gehört.
Das war die einzige Erklärung dafür, dass er so stockverlegen im Türrahmen stand. Aus Ellas Sicht war es bestimmt das Beste, das Nora in diesem Fall passieren konnte.
Und ihre Freundin hatte recht!
Eigentlich hätten Nora vor Schrecken die Haare zu Berge stehen müssen, stattdessen
fühlte sie eine große Erleichterung. Die durchwachten Nächte, in denen sie ein ums andere Mal ihre Möglichkeiten abgeklopft hatte, während der nebenan schlafende Mann ihr mit jedem Tag unnahbarer erschienen war, gehörten durch diesen Zufall schlagartig der
Vergangenheit an. Nun wusste er, wie es um ihre Gefühle bestellt war. Alles Weitere lag in seinen Händen, seinen großen breiten Händen, die sie in den gemeinsamen Jahren nur ein Mal berührt hatten: als er ihr den Ring im Standesamt angesteckt hatte.
»Hallo, Gregor! Ich bin Ella und dir jetzt schon tierisch dankbar, dass du gekommen bist.
Und wegen der Klingel brauchst du dir keine Gedanken zu machen – ich glaube, die kann ruhig außer Betrieb bleiben. Irgendwie hat es mir bislang Glück gebracht, dass die Haustür offen steht und jeder eintreten kann. Meine Meinung ändert sich vermutlich sofort, wenn der Gerichtsvollzieher anklopft – oder noch schlimmer, die Sandfernsche Schwesternschaft für Moral und Anstand, die durch meine Fotos den Ruf dieser altehrwürdigen Hafenstadt in Gefahr sieht. Angeführt von meiner Schwägerin. Die geht vorneweg mit einer brennenden Fackel in der Hand. Aber was rede ich denn hier wie ein Wasserfall? Ich gehe jetzt mal schnurstracks los, um meinem Neffen Bescheid zu sagen, dass wir mit der Arbeit
loslegenkönnen. Falls hier also gleich Unflätigkeiten herumgeschrienwerden, wundere dich nicht. Kimis Nerven liegen gerade blank. Du kannst ja unterdessen schon einmal mit Nora dasHaus besichtigen, die kennt sich nämlich eins a aus. Von früher …da war sie ja oft zu Besuch und so. Viel Spaß dabei. Und nach Möglichkeit bitte nicht über die Farbeimer
stolpern, ich bin nämlich nicht ausreichend versichert. Glaube ich zumindest. Sollte ich mich mal mit auseinandersetzen.«
Beinahe wäre Ella gegen den Türrahmen gelaufen, weil sie derartig damit beschäftigt war, Gregor mit ihrem einnehmendsten Lächeln zu beglücken und Nora gleichzeitig ein
unauffälliges Daumen-hoch-Zeichen zu geben, das auch wirklich niemand in diesem Raum übersah. Schade, dass sie dem Rahmen gerade noch rechtzeitig ausgewichen ist, dachte Nora, während sie nach wie vor versteinert auf der Anrichte saß. Dabei hätte Ella für diese Nummer wirklich eine extragroße Beule verdient.
Ellas Schritte waren längst verklungen, als Gregor in die Stille hinein sagte: »Und das Mädchen ist wirklich deine Freundin?«
»Da bin ich mir im Moment nicht so sicher. Im Augenblick würde ich sie eher als Fluch meines Lebens bezeichnen.« Da Gregor sie mit seinem undurchschaubaren Ausdruck, den
er seit ihrer Eheschließung nicht mehr abgelegt hatte, ansah, verkniff sie
Weitere Kostenlose Bücher