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Daemonenblut

Daemonenblut

Titel: Daemonenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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sonst immer die Erste im Laden, noch vor Jonah und mir. Dass sie ausgerechnet an einem Tag, an dem sie einen so frühen Termin hatte, zu spät kommen sollte, passte so gar nicht zu ihr.
    » Entschuldigen Sie, Miss « , rief ein Mann vom Kräuterregal Pepper zu. » Können Sie mir helfen? «
    Während sie zu ihm ging, kam der Typ von vorhin an die Kasse, um den Totenschädel zu bezahlen. Volltreffer! Endlich war das Ding weg! Zu dumm nur, dass noch eine Kiste mit seinen Kumpels im Lager stand. Vielleicht waren die ja kooperativer.
    » Ich rufe noch mal bei Madame an. « Ich schnappte mir das schnurlose Telefon und zuckte zusammen, als es in meiner Hand zu klingeln begann. Ein wenig genervt nahm ich das Gespräch an. » Hexenkessel, Zauberei- und Wiccabedarf. Wie kann ich Ihnen helfen? «
    » Riley, ich bin es. «
    » Madame? Wir haben uns schon gefragt, wo Sie stecken. «
    » Ich bin zu Hause. «
    » Wie lange wird es dauern, bis Sie hier sind? «
    » Ich komme heute nicht. «
    » Aber Ihr Kunde wartet schon. «
    » Tut mir leid, aber ich habe schreckliche Migräne. Ich bleibe heute im Bett. «
    Tatsächlich klang sie ungewöhnlich matt. » Okay « , sagte ich. » Dann werde ich sehen, dass ich den Termin verschieben kann. Vielleicht, wenn wir einen kleinen Nachlass anbieten und– «
    » Ich möchte, dass du diesen Termin übernimmst. «
    Es dauerte etwas, bis Madames Worte meinen Verstand erreichten. » Was? Das kann ich nicht! «
    » Natürlich kannst du! Wir haben das unzählige Male durchgespielt. Du weißt genau, was du tun musst. «
    Trotzdem… Ich war immer davon ausgegangen, dass Madame bei meiner ersten Séance daneben sitzen, mir auf die Finger schauen und vielleicht unter die Arme greifen würde. Davon, dass ich allein sein würde, war nie die Rede gewesen. Natürlich hatten wir den Ablauf in den letzten Wochen unzählige Male durchgespielt, und bis vorhin war ich mir auch noch sicher gewesen, es allein hinzubekommen. Allerdings war es dann doch ein Unterschied, ob ich mir vorstellen konnte, es allein durchzuziehen, oder ob ich es tatsächlich tun musste. Die technische Seite war dabei gar nicht das Problem. Ich wusste, wo die Schalter waren und welchen ich wann drücken musste. Die Schwierigkeiten lagen eher im Zwischenmenschlichen, denn im Gegensatz zu Madame war ich nicht darin geübt, jemanden unbemerkt auszufragen und zu beobachten, um herauszufinden, was er erwartete– und ihm dann genau das zu liefern.
    » Hast du nicht Lust, es endlich einmal auszuprobieren? «
    Jetzt packte sie mich bei meinem Ehrgeiz. Das war nicht gerade fair. An jedem anderen Tag hätte ich mich vermutlich bereitwillig der Herausforderung gestellt. Heute allerdings, wo mir noch immer die Albträume der Nacht und das unangenehme Erwachen am Morgen nachhingen, fühlte ich mich weniger zuversichtlich.
    Madame überging mein Zögern. » Du kennst die Fragen und weißt, wie alles abzulaufen hat. Hast du nicht erzählt, dass du in der Theater AG gewesen bist? «
    Vor acht Jahren. Ich hatte damals einen Baum gespielt und eine Stunde lang reglos auf der Bühne herumgestanden. Das hätte ich Madame wohl besser sagen sollen.
    » Bessere Voraussetzungen gibt es doch gar nicht! Außerdem « , fuhr sie fort und kam mir dabei vor wie ein Vertreter, der mir ein neues Superprodukt anpries. » Außerdem haben wir dein drittes Auge geöffnet. Das wird ein Spaziergang für dich! «
    Ich sagte nichts. Mir war längst klar, dass sie mich bereits breitgeschlagen hatte. Schweigend wartete ich darauf, dass sie fortfuhr.
    » Das wird ein leichtes Gespräch « , sagte Madame schließlich. » Das Übliche. Der Name der Frau ist Grace Shepherd. Im Vorgespräch sagte sie mir, dass sie mit ihrem Onkel sprechen will. Ich habe ihre Aufregung gespürt. Ihr geht es nicht um den Onkel, sondern nur um den Kick einer Séance. Du musst ihr also gar nicht viel erzählen. Mach ein bisschen Brimborium, und dann sag ihr, dass es dem Onkel gut geht und sie sich keine Sorgen machen muss. Den Rest improvisierst du. «
    Jetzt hatte sie es geschafft, meinen Kampfgeist anzustacheln. » Also gut « , sagte ich. » Aber machen Sie mir keine Vorwürfe, wenn es in die Hose geht. «
    » Na bitte! « , entfuhr es Madame. Gedämpfter, als hätte sie sich erst wieder an ihre Migräne erinnert, sagte sie: » Du musst dich nur daran erinnern, was ich dir immer über meinen Beruf gesagt habe. «
    » Die wichtigste Gabe einer Wahrsagerin ist ihre Beobachtungsgabe « , wiederholte ich

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