Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
zusammen. Ich bekam Angst. Nein, das war keine Angst, eswar die pure Panik. Es gelang mir einfach nicht loszukommen. So sehr ich mich auch dagegen wehrte, ich konnte die Verbindung nicht lösen. Es mag sich eigenartig anhören, aber was sich da rührte…“, Doro machte eine kurze Pause. Sie musste sich erst selbst über die Bedeutung ihres nächsten Satzes klar werden. „Es ergriff nicht bloß von mir Besitz. Es fühlte sich an, als sei es ein Teil von mir. Etwas, das sich schon lange tief in meinem Innern verborgen gehalten hatteund nun an die Oberfläche kroch, um mir alles zu entziehen, was meine Zufriedenheit ausmachte. All die schönen Augenblicke, die das Leben lebenswert machen. Ich zitterte am ganzen Leib, aber ich war nicht in der Lage, aus diesem Alptraum aufzuwachen. Und…“ Sie brach ab, legte den Kopf in den Nacken und sah zur Decke hoch. Die letzten Worte ihres Berichtes kosteten sie Überwindung. „Ich bin überzeugt, es wünschte sich meinen Tod.“ Sie ergriff Lille Hand. „Ich weiß, das klingt völlig absurd, aber kannst du dir vorstellen, dass es so etwas gibt?“
Lille sah Doro nachdenklich an. „Unter normalen Umständen hätte ich dich für verrückt gehalten, aber nach allem, was in den letzten Tagen passiert ist, kann ich mir so ziemlich alles vorstellen. Was hast du jetzt vor?“
„Ich muss etwas unternehmen, damit es aufhört.“
„Psst.“ Lille legte ihren Zeigefinger an die Lippen.
„Was?“
„Andress. Der schleicht wieder rum.“
Oder noch immer, dachte Doro. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war kurz nach 9.00 Uhr. Heyder würde bald auftauchen und es wäre bestimmt nicht von Vorteil, wenn er sie hier mit Lille zusammen in der Kaffeeküche beim Tratschen erwischte.
Doro hatte sich angewöhnt, ihren Schreibtisch aufgeräumt zu verlassen. Dafür gab es keinen besonderen Grund, außer dass es sie beruhigte. So war der DIN A5 Zettel, der exakt in der Mitte ihrer Schreibtischunterlage prangte, nicht zu übersehen. Er trug Heyders klare, leicht nach rechts kippende Handschrift.
„Liebe Dorothea,
dein letzter Recherchebericht zum Arcanum liegt nun schon einige Tage zurück.
LG Thomas“
Sie knüllte den Notizzettel zu einer Kugel zusammen und warf ihn in den Papierkorb. Ihr Entschluss stand endgültig fest. Es würde keine weiteren Recherchen ihrerseits geben. Sie ging zu dem mahagonifarbenen Sideboard und schichtete die Briefbögen aus dem Karton zu einem ordentlichen Stapel auf. Sie nahm die leere Verpackung, stellte ihn im Vorbeigehen auf dem Schreibtisch ab und ging ans Fenster.
Die Regenwolken hatten sich über Nacht verzogen und gaben den Blick auf einen strahlend blauen Frühlingshimmel frei, der augenblicklich in keinem größeren Kontrast zu ihrer seelischen Stimmung stehen konnte. Der Schnee im Tal war durch die wärmeren Tage und den Regen fast vollständig getaut. Nur auf den Gipfeln verteidigte der Winter noch hartnäckig seine Vormachtstellung. Doch in spätestens ein bis zwei Wochen musste er auch dort oben aufgeben. Der Wandel der Jahreszeiten ließ sich nicht aufhalten, genauso wenig wie die Geschehnisse in diesem beschaulichen Städtchen. Doro wandte sich vom Fenster ab und setzte sich an ihren Schreibtisch. Stück für Stück nahm sie ihre persönlichen Sachen aus den Schubladen und legte sie in den Karton.
Die harten, energischen Schritte auf dem Flur ließen sie aufhorchen. Die ihrem Büro gegenüberliegende Tür wurde geöffnet und wieder geschlossen. Heyder war da. Ihr Puls schnellte in die Höhe. Sie musste ihr Vorhaben zügig in die Tat umsetzen, denn mit jeder Minute, die verstrich, würde es ihr schwerer fallen, Heyder ihre Kündigung auszusprechen.
Das Telefon klingelte. Heyder war dran und bat sie in sein Büro zu kommen. Die Entscheidung über das Wann hatte er ihr abgenommen.
Doro stand vor dem dunklen, wuchtigen Schreibtisch.
„Du wolltest mich sprechen?“, fragte sie.
Heyder lächelte freundlich. „Ja. Guten Morgen, setz dich, bitte.“
„Danke, aber ich möchte lieber stehen bleiben.“
„Setz dich!“, befahl Heyder.
Sie zuckte unter der Strenge seines Tons zusammen und nahm mechanisch auf einem der beiden Stühle vor seinem Schreibtisch Platz.
„Wie du willst“, antwortete sie.
Er musterte sie aus seinen steingrauen Augen. „Du siehst heute - wie soll ich mich ausdrücken – etwas farblos und erschöpft aus. Ist alles bei dir in Ordnung?“
„Ich hatte nur eine unruhige
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