Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
zerstören. Du lässt Erdbeben über die Welt der Menschen hereinbrechen und du herrscht über einunddreißig Legionen.“
„Hast du bei deiner Aufzählung nicht einen entscheidenden Punkt vergessen?“ Agares Arme schossen nach vorn. Seine kräftigen Hände packten Gelals geschwungene Hörner. In einer schnellen Drehung drückte Agares seinen Kopf zu Boden. „Ich stehe unter Baels Macht“, zischte er. Agares verstärkte den Druck auf Gelals Genick, in dem er sein Haupt noch ein wenig weiter verdrehte. „Du weißt, was geschieht, wenn du versagst.“
Die unnatürliche Haltung seines Kopfes drückte Gelal langsam die Kehle zu. Vor seinem seidigen Maul bildete sich weißer Schaum, seine Zunge schwoll an. Das Atmen bereitete ihm Probleme.
„Gibt mir irgendein Zeichen, dass du mich verstanden hast oder willst du, dass ich dein erbärmliches Leben auf der Stelle beende? Bis heute suche ich nach einer vernünftigen Erklärung, warum die Zwischenwelt eine so schwächliche und derart leicht zu täuschende Rasse wie die Incubi hervorgebracht hat.“
Gelal konnte nicht antworten. Das Einzige, was er momentan zustande brachte war ein kehliges Röcheln.
Ein kunstvoll gearbeiteter Schuh mit Fellbesatz schob sich in Gelals Gesichtskreis. Das Leder besaß einen seidigfeinen, weißbläulichen Glanz. „Weißt du, aus was diese Schuhe gefertigt sind?“
Natürlich wusste er das. Das Leder war einmal die Haut und der Fellbesatz die Mähne eines Incubus gewesen. Der Schuh verschwand aus seinem Blickfeld, dafür setzte sich nun ein Fuß mit ungeahnter Stärke in seinen Nacken. „Willst du mir wirklich eine Antwort verweigern?“, fragte Agares. In seiner Stimme lag immer noch unerträgliche Güte.
Ich kann dir nicht antworten!, brüllte Gelals Verstand, doch in dieser Welt gab es keinen, der seine Gedanken hören konnte.
Wieder verdrehte sich sein Kopf. Die Sehnen an seinem Hals schmerzten und drohten unter der Anspannung zu zerreißen. Noch ein kleiner Ruck und sein Genick brach wie ein trockenes Stück Holz. Und irgendwo in dem Gewölbe dieser riesigen, kreisrunden, steinernen Versammlungshalle saß Bael, unsichtbar und verborgen vor allen Blicken und beobachtete genüsslich die Demütigung, die Gelal über sich ergehen lassen musste. Er schloss die Augen. Das hier war kein würdevolles Ende für einen der mächtigsten Incubifürsten der Zwischenwelt.
„Lass ihn los. Tot ist er der Sache nicht mehr dienlich“, hörte Gelal eine kräftige Stimme über ihm sagen.
„Mit welchem Recht mischt du dich ein, Vassago?“
„Ich bin der Drittmächtigste und ich sage, es reicht. Wenn du ihn tötest, haben wir keinen Einfluss mehr darauf, was mit dem Arcanum passiert. Du weißt, wo sich das Buch der Geheimnisse befindet. Im schlimmsten Fall ist es in der Welt der Menschen verloren.“ Vassagos Stimme wurde mahnend. „Das wäre eine Katastrophe.“
„Wo ist das Problem? Du bist es doch, der all die versteckten und verlorenen Schätze aufspüren kann“, gab Agares spöttisch zurück.
„Ja, aber nur, wenn ein Mensch mich darum bittet. Und kaum eine dieser unwürdigen Kreaturen wird uns noch um irgendetwas bitten, wenn sie die uneingeschränkte Macht erst in Händen halten.“
Agares lachte boshaft. „Was nützt ihnen das Buch, wenn sie nicht wissen, wie sie es benutzen sollen.“
„Sie werden den Schlüssel finden. Und dann werden sie ungehindert in unsere Welt eindringen. Erinnere dich ein paar tausend Jahre zurück. Willst du, dass sich alles wiederholt?“
Agares schüttelte den Kopf. Jeder Dämon wusste von der Bannung der Zweiundsiebzig durch König Salomon. Die Zwischenwelt war in dieser Zeit völlig aus den Fugen geraten. Und um Derartiges in Zukunft zu verhindern, waren Geschöpfe wie Incubi und andere niedrige Dämonenarten geschaffen worden. Kreaturen, die in ihren Empfindungen dem Menschen näherstanden als die Zweiundsiebzig und die durch ihre Heimsuchungen in der Lage waren, die Menschheit zu kontrollieren.
„Dann lass ihn los“, gebot Vassago.
Statt einer Antwort, drang aus Agares Kehle ein verächtliches Schnauben. Dann wurde der Fuß von Gelals Genick genommen und der Druck auf sein Gehörn lockerte sich bis sein Kopf wieder frei war. „Erheb dich jetzt, Incubus“, sagte Agares´ gebieterische Stimme.
Gelal legte schützend eine Hand in seinen Nacken. Vorsichtig bewegte er sein Haupt hin und her. Muskeln und Sehnen fühlten sich überdehnt an, aber wenigstens er konnte noch seinen Kopf bewegen.
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