Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
seinem Rücken unnachgiebig miteinander verbanden. Sein Blick schweifte durch die leeren, steinernen Ränge der umlaufenden Loge. Nicht mehr lange und die Plätze würden sich füllen. Die drei Sessel auf dem podestartigen Thronsockel vor ihm und weitere neunundsechzig, die sich auf halber Höhe in einem Kreis wie eine Art Tribüne an den Thronbereich anschlossen. Jeder Geist besaß seine eigene, kleine Loge, das zeigten die verschiedenen Siegel über den einzelnen Plätzen. Nur der Sitz des fünften Geistes, Marbas, würde leer bleiben. Er hatte nach der Verbannung Alastors die Aufgabe des Scharfrichters übernommen. Und heute würde Gelal seinem Henker gegenübertreten, daran gab es keinen Zweifel.
Bael hatte alle zweiundsiebzig Hauptdämonen zu einem Tribunal zusammengerufen, bei dem sie über sein weiteres Schicksal entschieden, denn Gelal hatte den fatalen Fehler gemacht, seine Braut nicht zu töten, nachdem Heyder dem Buch der Geheimnisse gefährlich nahe gekommen war. In Baels Augen hatte er damit versagt.
Gelal versuchte behutsam sein Gewicht zu verlagern, das lange Knien und die verdrehten Gelenke begannen ihre peinigende Wirkung zu zeigen. Er stöhnte leise. Hätten sie ihm einen letzten Wunsch zugestanden, so wäre das die Hoffnung gewesen, dass sie schnell über ihn richteten.
Hinter den hohen, mit kunstvollen Schnitzereien und Eisenbeschlägen verzierten Holztüren erhob sich gedämpftes Gemurmel und riss Gelal aus seinen Gedanken. Sein Herz schlug schneller, seine Handflächen wurden feucht und sein Atmen kam stockend aus seinen Lungen. In seiner eigenen Welt empfand auch er Gefühle wie Angst. Mit einem leisen Quietschen öffneten sich die beiden Türflügel. Gelal drehte seinen Kopf in Richtung des Eingangs. Aus dem Augenwinkel nahm er die ersten Zuschauer wahr.
Bael hatte nichts ausgelassen. Die vordersten Stuhlreihen hatte er für hohe Incubifürsten und ihre Succubi reservieren lassen. Wahrscheinlich zur Abschreckung, damit sie Gelals Bestrafung detailliert mitverfolgen konnten. Weiter hinten fanden sich die verschiedenen Regenten der Gestaltwandler-Clans ein. Zeitgleich nahmen auch die verbliebenen neunundsechzig Hauptgeister ihre Plätze ein. Wie er bereits vermutet hatte, blieb Marbas´ Loge leer. Bael, Agares und Vassago betraten die Halle. Gelal hörte die Absätze ihrer Schuhe und Stiefel auf dem kalten Steinboden klacken. Während Bael und Vassago sich setzten, blieb Agares vor Gelal stehen. Die eisige Kälte des Bodens und die Verschnürung seiner Glieder brachten ihn zum Zittern, ohne dass er eine Möglichkeit fand, das Muskelzucken zu unterdrücken.
Agares schmunzelte belustigt. „Ist dir kalt oder ist das die Angst vor deinem nahen Ende, Incubus.“
Gelal schwieg. Ganz gleich, was er auch antworten würde, es würde nur eine endlose Reihe von Verhöhnungen nach sich ziehen.
„Oh, du hast beschlossen zu schweigen, aber das wird dir nichts nützen, du dämonische Missgeburt. Marbas wird dir deine kleinen Geheimnisse schon entlocken.“ Er trat hinter Gelal. „Und wenn er mit dir fertig ist, wird von dir nichts weiter übrigbleiben, als ein matschiger Klumpen Incubusfleisch für die Werwölfe.“ Agares setzte seinen Fuß zwischen Gelals Schulterblätter und trat zu. Gelal verlor das Gleichgewicht, stürzte zuerst nach vorn auf das Gesicht und kippte dann zur Seite. Hilflos blieb er auf dem Boden liegen. Er war nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft aufzurichten. Ein erneuter Tritt folgte, diesmal traf er zwischen Gelals Rippen. Zu gern hätte er sich zusammengekrümmt, um die Schmerzen abzumildern, doch seine gefesselten Hände und Füße machten ihn zu Agares´ wehrlosem Opfer. Der Zweite Hauptgeist wusste genau, was er tat und welche Stellen seines Körpers er treffen musste, um Gelal größtmöglichen Schmerz zu bereiten. Nach einer halben Ewigkeit rief Bael seinen Bluthund endlich zur Ordnung.
„Es reicht, Agares“, rief Bael in Einhalt gebietender Lautstärke, „Marbas ist unser Vollstrecker. Er wird den Incubus richten.“
Agares gab ein unwilliges Knurren von sich, dann ließ er von seinem Opfer ab und nahm an Baels rechter Seite Platz.
„Danke, mein König“, sagte Gelal. Die Schmerzen in seinem Leib ließen seine sonst klare, feste Stimme zu einem leisen Wimmern verkommen.
Das Stimmengewirr erhob sich erneut. Für Gelal war es keine Frage, wer in diesem Augenblick den Saal betrat und unter wessen Schritten die Steinplatten des Hallenbodens erzitterten:
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