Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
Marbas, der Großpräsident der Zwischenwelt und Herrscher über sechsunddreißig Legionen. Er stellte sich neben Gelal, so dass dieser ihn sehen konnte. Marbas trug ein schlichtes, bodenlanges, schwarzes Gewand, wie es bei Urteilsvollstreckungen üblich war. Auf der einen Seite seines Gürtels hing ein langes Schwert in einer ledernen Scheide. Auf der anderen trug er eine Tasche aus Incubus- und Wolfsfell, in der er eine Vielzahl an kleinen, aber feinen Foltergeräten trug, mit denen er blutende Wunden in einen Incubuskörper schlagen konnte, um die Leiden zu erhöhen. Dämonen nährten sich von Gefühlen. Aus ihnen bestanden weite Teile ihres Fleisches und ihres Blutes und die galt es während der Exekution über einen möglichst langen Zeitraum dem Delinquenten zu entziehen. Die Verurteilten sollten leiden. Das war der Zweck jeder Bestrafung.
Marbas beugte seinen Kopf zu Gelal hinab. Seine dunklen Haare fielen über breite Schultern nach vorn und verschmolzen im Dämmerlicht der Halle mit dem schwarzen Stoff seines Gewands. Er betrachtete Gelal aus schiefergrauen Augen, dann wandte er sich Bael zu.
„Das nächste Mal halte deinen Kettenhund etwas kürzer. Ich habe es lieber, wenn meine Opfer bei vollem Bewusstsein sind, wenn ich sie befrage“, sagte er mit donnernder Stimme.
„Wozu die Aufregung, mein lieber Marbas. Er lebt doch noch“, antwortete Bael ruhig.
„Treib es nicht auf die Spitze, Bael. Nicht jeder der hier Anwesenden hält dich für den einzig wahren Anführer.“ Sein Blick wanderte in das hintere Drittel der Tribüne auf die Plätze, wo Asmoday und Gaap saßen. Und auch der dreizehnte Geist, Beleth, war nicht unbedingt das, was man einen bedingungslos Treuergebenen nennen würde. Es war ein offenes Geheimnis, dass diese drei Dämonen sich nur halbherzig den Zweiundsiebzig angeschlossen hatten, aber ihre Macht und die Stärke ihrer insgesamt zweihundertdreiundzwanzig Legionen machte sie zu Geistern, die kein Herrscher gern gegen sich hatte. Gaap würdigte Marbas´ Worte mit einem huldvollen Lächeln. Wieder erhob sich Gemurmel. Diesmal meinte Gelal vorwiegend Incubistimmen herauszuhören.
„Ruhe!“, befahl Bael. Die Stimmen erstarben augenblicklich.
Marbas richtet seine Augen wieder auf den Ersten Geist. Er war bereit, die Order seines Anführers anzunehmen.
„Bringt ihn auf die Beine“, rief Bael.
Gelal spürte, wie die Fesseln durchtrennt wurden. Blut pulsierte wieder durch seine Adern und füllte seine Gliedmaßen mit Leben.
„Steh auf, Incubus“, sagte Marbas leise.
Gelal unternahm einen unbeholfenen Versuch sich aufzurichten, doch seine Beine versagten ihren Dienst.
„Steh auf!“, wiederholte Marbas seine Forderung.
„Es geht nicht“, flüsterte Gelal.
Marbas gab zwei Incubi, die in nächster Nähe saßen, ein Zeichen. Sie eilten herbei, hievten Gelal auf die Beine und stützen ihn, damit er nicht wieder hinfiel.
Bael lächelte zufrieden. Offensichtlich gefiel ihm das Schauspiel der Hilflosigkeit, das ihm gerade geboten wurde. „Nun, Incubus, wir haben dich vor nicht allzu langer Zeit eindringlich gewarnt“, eröffnete er das Tribunal.
Gelal nickte. Er spürte, wie das Zittern in seinen Gliedern allmählich nachließ.
„Warum hast du uns hintergangen?“, wollte Bael wissen.
„Ich habe euch nicht hintergangen. Ich habe all meine Kraft dafür aufgewendet, das Buch der Geheimnisse zu schützen.“
„Das sehe ich anders.“ Bael gab Marbas ein Zeichen. Der Henker griff in seine Felltasche. Kurz darauf bohrte sich ein fingerlanger, spitzer, mit Widerhaken besetzter Knochen zwischen seine Schulterblätter. Gelal unterdrückte den Aufschrei, der seine Kehle hinaufjagte. Noch wollte er Bael nicht die Genugtuung geben, dass er ihn leiden sah.
„Ich habe es gespürt. Dieser Heyder hat dasBuch bereits in seinen Händen gehalten.“ Bael erhob sich von seinem Thron. Mit einem einzigen Satz stand er vor Gelal. Die Finger seiner rechten Hand schnippten auffordernd in Marbas´ Richtung, damit er ihm weitere Knochenspitzen aushändigte. „Und Die Frau lebt auch noch“, fauchte Bael und rammte Gelal den nächsten Knochen in die Brust. Gelal zuckte zusammen. Der durchdringende Schmerz nahm ihm Sekunden lang den Atem. „Du weißt genau, was passiert, wenn das Buch in seine Hände fällt und das Mädchen sich ihm zuwendet.“
Diesmal drang der Knochendorn in seinen Bauch. Gelals Augen verengten sich zu schmalen, gepeinigten Schlitzen.
Bael blieb ungerührt. „Sie werden
Weitere Kostenlose Bücher