Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
vage wahr. Und als sich schließlich Sabnock vor Gelal niederkniete, um aus einem kleinen Glasflakon seinen giftigen Speichel in seine Wunden zu träufeln, verschwamm die steinerne Kulisse der Halle zu einer trägen grauen Masse, aus der sich die Umrisse seiner Peiniger wie dunkle Schatten lösten und im Nichts zwischen den Welten verschwanden.
Gelal war allein. Er fühlte unablässig die feurige Qual, mit der die Emotionen aus seinem geschundenen Leib flossen. Er wollte sterben, konnte es aber nicht. Ein Gefühl, das er längst vergessen glaubte, durchstreifte seinen Geist und verweigerte ihm der Zwischenwelt zu entschlüpfen: Die Liebe zu seiner Braut.
Das Quietschen der Türen und der anschließende Lärm des einströmenden Publikums rissen ihn aus seinen schönen Gedanken. Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Er wusste nur, dass in den nächsten Augenblicken über seinen Tod entschieden wurde.
Die drei ersten Geister bestiegen wieder ihre Plätze auf dem Thronpodest. Zwei weitere folgten ihnen mit etwas Abstand. Marbas und Dantalion, der Geist, dem Gelals Clan diente.
„Schneidet ihm die Fesseln durch“, befahl Bael, „Und versorgt seine Wunden. Er ist frei“, fügte er kaum hörbar hinzu.
Marbas befolgte Baels Aufforderung ohne Zögern.
Zuerst erfüllte zweifelndes, dann erleichtertes Stimmengewirr die Ränge der Incubifürsten.
Gelal nahm die Nachricht von seinem Freispruch nur vage wahr, doch sie musste der Wahrheit entsprechen, denn die heilende Wirkung von Marbas Kräften tat bereits seine Wirkung. Er sah an seinem blutverschmierten Oberkörper hinab. Die tiefen Stiche schlossen sich in Sekundenschnelle und unter der schorfigen Oberfläche zeigte sich bereits neue, weißbläulich schimmernde Haut. Gelal rieb seine Handgelenke, auch hier waren die Einschnitte der dünnen Lederriemen nicht mehr zu sehen. Das Einzige, was ihm augenblicklich noch zu schaffen machte, war dieSteifheit seiner überdehnten Muskeln.
Gelal beugte sein Haupt vor Bael. „Danke, mein König“, sagte er ergeben.
„Danke nicht mir, Incubus, sondern dem Geist, dem du dienst. Er war es, der für dich eingetreten ist und den Rat überzeugt hat, dich am Leben zu lassen und dir eine letzte Chance zu geben, die Dinge zu richten. Aber du sollst wissen, dass die Entscheidung zu deinen Gunsten hauchdünn war. Sechsunddreißig Geister waren dafür, dir dein erbärmliches Leben zu lassen und vierunddreißig dagegen, weil Beleth sich enthalten hat.“ Ein zorniger Blick Baels glitt in Richtung des dreizehnten Hauptdämons. „Offensichtlich konnte er sich wieder einmal nicht entscheiden, wem seine wahre Loyalität gehört. Du weißt, dass bei einem Gleichstand in der Abstimmung meine Stimme doppelt zählt.“
Gelal nickte.
„Also, sollte dein Dank nicht nur Dantalion, sondern auch ihm gelten.“
„Wie du befiehlst, mein König“, entgegnete Gelal und beugte abermals sein Haupt vor Bael.
„Erhebe dich, Gelal“, sagte Vassago mit einem wohlwollenden Lächeln auf den Lippen, „Deine Schuld konnte in dem Verfahren nicht bewiesen werden, aber trotzdem raten wir dir an, das Arcanum an einen sicheren Ort zu bringen. Es darf nicht in die falschen Hände fallen. Damit meine ich auch die Zwischenwelt, denn die machtvollen Verlockungen, die von dem Buch ausgehen, wären eine Versuchung, der keiner von uns auf Dauer widerstehen könnte. Und nun erfülle deine Aufgabe, du weißt, was auf dem Spiel steht.“
Gelal, der sich in der Zwischenzeit erhoben hatte, nickte und verbeugte sich noch einmal vor dem Prinz des Ostens.
Doro ging den langen Korridor zu ihrem Büro entlang. Schon aus der Entfernung erkannte sie, dass die Tür zu Heyders Zimmer offenstand. Sie stöhnte innerlich auf, denn ihr Chef war momentan so ziemlich der letzte Mensch, dem sie zu dieser frühen Morgenstunde begegnen wollte.
Entweder hatte Heyder ihr aufgelauert oder er besaß hellseherische Fähigkeiten; wenige Schritte bevor sie ihr Büro erreichte, tauchte er plötzlich vor ihr auf und stellte sich ihr in den Weg.
„Guten Morgen, Dorothea, wenn ich ehrlich bin, hätte ich heute nicht so früh mit deiner Anwesenheit gerechnet“, begrüßte er sie mit einem süffisanten Lächeln.
„Und warum nicht?“
„Weil ihr gestern noch eine ganze Weile mit Aufräumen beschäftigt ward.“
„Haben dir das deine Beobachter erzählt?“
„Nein, diese Aufgabe habe ich ausnahmsweise selbst übernommen. Ich wollte einfach nur wissen, was du so treibst.
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