Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
ist kein Grund, sie so grausam zu behandeln.“
„Für einen Incubus empfindest du erstaunlich viel Mitgefühl.“ Eric lächelte süffisant. Ihm war anzusehen, dass er die augenblickliche Macht über Alexander genoss. „Wie weit wir tatsächlich gehen müssen, liegt ganz an deiner zukünftigen Kooperationsbereitschaft.“
„Lass sie frei, bitte, Eric“, bat Alexander.
„Nach allem, was geschehen ist, hätte ich nie zu träumen gewagt, dass einmal der Tag kommt, an dem mich der große Gelal um etwas bittet.“
Alexander schüttelte den Kopf. „Ich spreche nicht als Gelal zu dir, sondern als der Mensch, in dessen Leib ich stecke.“
„Wie fühlt es sich eigentlich an, wenn einen Dämon plötzlich menschliche Gefühle plagen?“
„Doro leiden zu sehen, ist die größte Qual, die du mir antun konntest und das weißt du auch. Aber hier geht es weder um dich noch um mich, sondern einzig und allein um deine Tochter.“
„Was für einen Trick versuchst du jetzt wieder?“
„Ich brauche keine Tricks, Eric, denn dazu liebe ich Doro viel zu innig, mit all den Gefühlen, zu denen ein Mensch fähig ist.“
„Dann beweis es mir.“
Alexander schwieg. Seine Gedanken schienen sich plötzlich auf direktem Weg zu Doro auf der Galerie zu übertragen. Jedes einzelne Wort, das er gesagt hatte entsprach der Wahrheit. Seine Zuneigung für sie war echt. Sie erkannte, dass er bereit war, das größte Opfer zu bringen, zudem er im Stande. Instinktiv spürte sie, Alexander würde ihrem Vater das echte Arcanum aushändigen. Er stand kurz davor, seine eigene Welt zu verraten und sämtliche Konsequenzen auf sich zu nehmen, die sein Handeln zur Folge hatte. Und das alles nur aus einem einzigen Grund, um ihr Leben zu schützen.
„Wenn ich Thomas Heyder das Buch der Geheimnisse aushändige, lässt du sie dann gehen?“, fragte Alexander.
Eric schüttelte den Kopf. „Du weißt, dass ich sie nicht gehen lassen kann. Das liegt nicht in meiner Macht.“ Er streifte Heyder mit einem flüchtigen Seitenblick. „Aber ich verspreche dir, dass ich dafür Sorge trage, dass ihr kein Mensch ein Leid zufügt.“
„Habe ich dein Wort?“
„Ja“, Eric gab den beiden Typen ein Zeichen, damit sie die Fesseln um Alexanders Handgelenke lösten. „Und jetzt gib mir das Buch, bitte.“
Alexander nickte. Er stand auf und ging auf den Durchbruch zu, der in den Flur führte. Heyder stellte sich ihm in den Weg. Doro blieb Zeit Alexander genauer zu betrachten. Die Striemen begannen zu verblassen. Nur das getrocknete Blut auf seiner Haut verriet noch, welche Folter er durchlitten hatte.
„Wie du siehst, bekomme ich am Ende immer meinen Willen“, sagte Heyder. Sein Gesicht hatte wieder diesen selbstgefälligen und überheblichen Ausdruck, den Doro so an ihm verachtete.
„Ja, es scheint so“, murmelte Alexander. Er beachtete sein Gegenüber nicht weiter und bewegte sich in Richtung Flur.
„Wohin willst du?“, fragte Heyder.
Alexander drehte sich um, seine Augen wanderten nach oben auf die Galerie. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie das Gefühl, dass sich ihre Blicke trafen. Dann gehörte seine ungeteilte Aufmerksamkeit wieder Thomas Heyder.
„Ich gehe das Buch holen, was sonst?“, entgegnete Alexander.
„Tanner wird dich begleiten“, Heyder gab Eric ein Handzeichen, „Damit du keine Dummheiten machst.“
„Von mir aus“, gab Alexander zurück und verließ den Raum.
„Ich muss Alexander das Buch geben“, flüsterte Doro.
„Ich komme mit.“
„Nein, Lille, du wartest hier. Du bewegst dich nicht von der Stelle und verhältst dich ruhig.“
Lille öffnete protestierend den Mund.
„Tu einfach, um was ich dich bitte, in Ordnung?“, ermahnte sie ihre Freundin ernst, während sie das Buch aus ihrem Rucksack nahm. Ihr missfiel der Tonfall, den sie Lille gegenüber anschlug, aber was sie im Moment am wenigsten gebrauchen konnte, war eine panische Freundin, die sich im entscheidenden Augenblick nicht im Griff hatte.
Für weitere Diskussionen blieb ohnehin keine zeit, denn Doro hörte bereits wie Eric und Alexander die Diele im Erdgeschoss durchquerten. Ihr Herz raste, ihre Kehle wurde eng und ihre Handflächen fühlten sich klebrig vom Angstschweiß an. Trotzdem musste sie die Sache zu Ende bringen. Nahezu geräuschlos hastete sie den Gang entlang in Alexanders Arbeitszimmer.
Das echte Arcanum befand sich im hintersten Bücherschrank. Ihre Augen glitten die einzelnen Regalböden entlang. Eine gefühlte Ewigkeit
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