Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
real gehalten?“, fragte Doro.
Alexander hielt inne. Er sah ihr in die Augen. „Ja, zu Beginn schon. Ich habe deine Angst gespürt und ich konnte nicht einordnen, woher sie kam, bis ich dich auf der Galerie entdeckt habe.“ Er streichelte sanft über ihre Wange. „In meiner Brust schlagen die Herzen zweier grundverschiedener Wesen und mit jedem Tag, der verstreicht fällt es mir schwerer, sie eindeutig voneinander zu trennen.“
Doro senkte ihren Blick zu Boden. Sie konnte nachvollziehen, welcher zusätzliche Kampf sich in seinem Innern abspielte. Er war bereit, sich für sie zu opfern, sein Leben eingeschlossen. Und wenn sie ehrlich in sich hineinhorchte, würde sie für ihn das Gleiche tun. So wie er Willens war, ihr zu folgen, würde sie auch seinen Weg gehen, sofern sie beide diese Herausforderung mit heiler Haut überstanden.
Alexander war im Begriff die Treppe hinunterzugehen. Doro hielt ihn zurück. „Würdest du mir einen Gefallen tun?“, fragte sie.
Er drehte sich zu ihr um und grinste. „Wenn es in meiner Macht steht.“
Sie holte tief Luft. Ihr fiel es nicht leicht, ihren Wunsch zu formulieren. „Du hast einmal erwähnt, dass ich das Buch… dass ich das Arcanum benützen kann und dass es die Antwort auf alle Fragen kennt.“ Sie machte eine Pause und beobachtete seine Reaktion. Alexander sah sie fragend an. „Alex, ich würde dem Buch gern eine Frage stellen.“ Jetzt war es raus.
Alexanders Miene verfinsterte sich. „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Jedes Benutzen des Arcanums hat seinen Preis, den die Zweiundsiebzig für ihre Hilfe fordern.“
„Du meinst, sie wollen im Gegenzug meine Seele.“
„Vielleicht deine, vielleicht die eines Menschen, der dir nahe steht. Vielleicht erheben sie auch Anspruch auf einen völlig anderen Preis. Ich kann dich nur warnen, denn ich kann nicht vorhersagen, wie ihre Forderung aussieht.“
Doro umklammerte seinen Oberarm. „Ich muss das Risiko eingehen. Heyder wird früher oder später die Fälschung bemerken und ich will vorbereitet sein, wenn er zurückkommt. Ich brauche Gewissheit, was er vorhat.“
Lille mischte sich ein. „Bist du dir sicher, dass es keinen anderen Weg gibt. Ich habe zwar keine Ahnung von solchen Dingen, aber ich habe bei der Vorstellung kein gutes Gefühl.“
Doro wandte sich unwirsch an ihre Freundin. „Du wirst dich noch bedeutend schlechter fühlen, wenn Heyder sein Ziel erreicht.“
„Tue bitte nichts, was du bereuen könntest“, bat Lille.
Alexander machte eine Einhalt gebietende Geste. „Lass sie“, sagte er zu Lille, „Es ist ihr freier Wille, die Zweiundsiebzig zu befragen und sie ist alt genug, für ihre Entscheidungen einzustehen.“
„Danke, Alex“, gab Doro leise zurück.
Doro stand im Kaminzimmer und hielt das Arcanum zwischen ihren Handflächen. Das Eigenleben des Buches bereitete ihr nicht mehr dasselbe extreme Unbehagen, wie zu Anfang, trotzdem zitterten ihre Finger, bei dem Gedanken, in wenigen Sekunden das Buch aufzuschlagen.
„Wie viele Menschen haben das Arcanum je benutzt?“, fragte sie heiser. Ihre Stimme war von ihrer inneren Anspannung belegt.
Alexander grinste. „So viel ich weiß, bist du nach König Salomon die zweite.“
„Das bedeutet, dass seit mehreren…“
„Ja. Ich bin vor ungefähr zweieinhalbtausend Jahren erschaffen worden und seit knapp zweitausend Jahren befindet sich das Buch in meiner Obhut. Ich gebe dir mein Wort darauf, dass es während dieser Zeit weder eine Magische noch irgendein Sterblicher in Händen gehalten, geschweige denn benutzt hat.“
„Was muss ich tun?“, wollte sie wissen.
„Diese Frage kann ich dir nicht beantworten“, entgegnete Alexander, „Es obliegt ganz allein dir, das herauszufinden.“
Der Ablauf aus dem Gästebad wiederholte sich. Zuerst veränderte das Buch seine Größe, danach wurde es mit jedem ihrer Atemzüge schwerer. Lange würde sie das Gewicht nicht mehr tragen können. Sie sank in den Sessel hinter ihrem Rücken. Die Finger ihrer linken Hand krallen sich in das samtene Leder des Einbands, während ihre rechte an den papiernen Kanten entlang strich.
Das Buch hatte sein endgültiges Gewicht erreicht und sie in die Knie gezwungen. Wahrscheinlich war jetzt auch der richtige Zeitpunkt gekommen, es zu öffnen. Scheinbar wahllos teilte ihr Zeigefinger die pergamentdünnen Seiten des Arcanums.
Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was in diesem Augenblick um sie herum geschah. Der Sessel, in dem sie saß,
Weitere Kostenlose Bücher