Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
Attraktivität und trotzdem sah sie nicht jugendlich aus. Lavina besaß eine zeitlose Eleganz, um die sie wahrscheinlich jede Frau beneidete.
„Dann bist du ein Geschöpf dieser Seite?“ , fragte Doro.
Lavina legte skeptisch den Kopf schief. Ihre goldbraunen Augen leuchteten kurz herausfordernd auf, dann lächelte sie. „Kein Wesen, nicht einmal die Zweiundsiebzig, gehören endgültig auf die eine oder andere Seite. Die Grenzen zwischen Menschen und Geistern sind fließend. Würden wir Dämonen vernichtet werden, würden die Menschen die unterschiedlichen Emotionen, die sie beflügeln oder plagen, vergessen. In der menschlichen Welt würde nichts außer Leere herrschen. Und was uns betrifft, gäbe es keine Menschen mehr, wären auch unsere Tage gezählt.“
„Ich dachte immer, Geister sind unsterblich.“
„Nach menschlichem Ermessen sind wir das auch, aber ohne die andere Seite, wie du es nennst, fehlt uns die Grundlage für unsere Existenz. Eure und unsere Welten bilden eine Symbiose. Wir haben uns sozusagen aufeinander spezialisiert, wenn du verstehst, was ich meine.“
„Ja. Und damit das so bleibt, muss ich auch den Menschen finden, von dem wir vorhin sprachen.“
„Oh, ein einzelner Mensch in unserer Welt stellt keine größere Gefahr dar.“
„Der schon. Er ist nämlich leider im Besitz des Arcanum Daemonums.“
„Dann ist es kein Gerücht. Gelal hat als Hüter versagt.“
„Es war nicht seine Schuld. Ich war diejenige, die unvorsichtig war.“
Lavina lächelte geheimnisvoll. „Du versuchst ihn zu schützen, aber hast du auch eine Ahnung, wie es ist, einen Dämon zu lieben?“
„Nein, aber wenn meine Zeit gekommen ist, werde ich es herausfinden.“
Lavinas Gesichtszüge wurden hart, doch seltsamerweise verloren sie nichts von ihrer Schönheit. „Du denkst immer noch, du könntest deinen Weg selbst bestimmen, Dorothea Bergmann, aber dem ist nicht so. Ein Teil von dir, dein wahres Erbe, hat sich schon lange entschieden.“
Doro machte eine wegwischende Handbewegung. „Für solche Spielereien habe ich momentan keine Zeit. Kannst du mir vielleicht freundlicherweise sagen, wo ich den Menschen finde?“
„Das ist kein Spiel und das weißt du. Du bist eine Magische. Dir stehen viele Möglichkeiten offen. Du kannst dir das Wissen der Zweiundsiebzig zunutze machen oder dich auch einfach nur auf dich selbst verlassen.“
„Und wer von den Zweiundsiebzig kann mir weiterhelfen?“
„Wenn du die Braut eines mächtigen Incubifürsten werden willst, solltest du langsam anfangen, die obersten Wächter dieses Reiches und ihre Eigenschaften zu kennen. Du könntest Purson anrufen. Er weiß für gewöhnlich um solche Dinge, aber so ahnungslos wie du bist, ist es ratsamer, dich auf deine Fähigkeiten zu verlassen.“
„Das würde ich sehr gern, wenn ich wüsste, wie es funktioniert.“
Lavina lächelte mitleidig. „Ich kann dir nur einen Rat geben. Dir ist bestimmt aufgefallen, dass du die Gedanken der Geister auffangen kannst. Wir beide unterhalten uns schließlich auch, ohne zu sprechen.“
Doro wiegte zustimmend den Kopf.
„Wenn du dich konzentrierst, kannst du die Gedanken, der dich umgebenden Geister lesen. Ein Mensch in diesem Reich ist eine absolute Ausnahme. Und selbst in der Hölle sprechen sich Sensationen extrem schnell herum. Du musst zuhören, dann werden dich die Dämonen auch zu seinem Versteck führen.“
„Und wer kann alles in meinen Gedanken lesen?“
Lavina legte ihr begütigend eine Hand auf die Schulter. „Nur Succubi und Incubi. Für den Rest ist das, was in deinem Verstand vorgeht nicht wahrnehmbar, es sei denn du ‚sprichst’ sie direkt an.“
„Wann spreche ich einen Dämon direkt an?“
„Wenn du seinen Namen nennst oder ihn berührst.“
Doro wurde schlagartig klar, warum der Geist des jungen Mannes geantwortet hatte. Sie war beim Schultern ihres Rucksackes zufällig mit ihm zusammengestoßen.
„Danke, Lavina“, gab sie mit einem erleichterten Lächeln zurück.
„Noch eines. Im Gegensatz zu einem normalen Sterblichen kannst du dich auf dieser Seite frei bewegen. Niemand wird sich dir in den Weg stellen, so lange du dich an die Regeln hältst. Und nun beeil dich, dir bleibt nicht mehr viel Zeit“, sagte Lavina.
Die Dunkelhaarige entfernte sich und verschwand in der Menge der Besucher.
Anfangs war es alles andere als einfach gewesen, aus dem Stimmengewirr in ihrem Kopf Worte herauszufiltern und sie bestimmten Geistern zuzuordnen. Immer wieder
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