Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
„Lass uns mal da drüben reinschauen“, sagte sie und marschierte los.
Kurz bevor sie den gegenüberliegenden Arkadengang erreichten, blieb Lille stehen. Ihr Kopf war rot und ihr Atem ging so schnell, dass sie eine Pause benötigte, um genügend Luft für ihre nächste Frage zu schöpfen.
„Gibt es hier irgendwas umsonst oder warum hast du es so eilig?“, wollte sie wissen.
„Bin ich etwa zu schnell?“
„Schnell? Du rennst über den Platz wie ein Jagdhund, der eine heiße Spur verfolgt. Ich komm kaum noch hinterher.“
Erst jetzt fiel es Doro auf: Sie hatten den weitläufigen Markplatz tatsächlich in flottem Tempo überquert. Normalerweise machte sich bei dieser Geschwindigkeit ihre Hüfte schon nach ein paar Metern bemerkbar und sie begann zu hinken, aber heute war davon nichts zu spüren. Da war kein Schmerz. Wenn sie es sich recht überlegte, hatte sie auch die letzten Tage schon keine echten Beschwerden mehr gehabt. Und das, obwohl sie sich viel an der frischen Luft bewegt hatte, um die anschleichende Erkältung zu bekämpfen.
Für den morgigen Sonntag, hatte sie sich sogar vorgenommen, es mit einer kleinen Runde Joggen zu versuchen. Ein Gedanke, der für sie vor ein paar Tagen noch völlig abwegig geklungen hatte. Jetzt stand er als fester Bestandteil des Wochenendes auf der kleinen Schiefertafel neben ihrem Kühlschrank.
Der kalte Nieselregen setzte wieder ein. Doro lächelte entschuldigend. „Tut mir leid, dass ich so gerannt bin, aber dafür werden wir jetzt wenigstens nicht nass.“
Während der Shoppingtour, war Lille stetig nachdenklicher geworden. Es war ihr deutlich anzusehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete. Wie sie versuchte, Einzelteile zusammenzusetzen und sich einen Überblick über das komplette Ausmaß einer Sache zu verschaffen, die sie bislang nur vage umreißen konnte. So war die erste Frage, die sie Doro stellte, nachdem sie wieder im Auto saßen, keine echte Überraschung.
„Du hast mir noch gar nicht erzählt, wie dein Vorstellungsgespräch gelaufen ist?“
Doro zuckte ertappt zusammen. Unangenehm war nicht, dass Lille fragte, sondern wie. Da war ein Unterton in ihrer Stimme, der sich nicht einordnen ließ.
„Gut, denke ich.“ Doro gab sich alle Mühe unbeteiligt zu klingen. „Ich habe ihm von meiner Ausbildung zur Pferdewirtin erzählt und was ich jetzt in der Redaktion mache, dass ich die Berichte schreibe… für die Sonderveröffentlichungen…“ Lille musterte sie so aufmerksam, dass sie den forschenden Blick ihrer Freundin auf ihrer Haut spüren konnte. „Im Großen und Ganzen hat er mich das Gleiche gefragt wie dich“, unternahm sie einen hilflosen Versuch, sich aus der Affäre zu ziehen.
„Das hat er bestimmt nicht, Doro.“ Lille klang ungewöhnlich scharf.
„Doch.“
„Wann war dein Vorstellungsgespräch noch mal?“
„Vorgestern um 15.30 Uhr.“
„Das kann nicht sein. Heyder war am Donnerstagnachmittag gar nicht im Haus.“
Doros Hände begannen zu zittern. Sie hatte es geahnt. Das Gespräch, das nun unweigerlich folgte, war bloß eine Frage der Zeit gewesen. „Wie kommst du darauf? Du hattest doch nachmittags frei“, hielt sie kleinlaut dagegen.
„Das stimmt, aber Heyder und Sattmann waren um 16.00 Uhr zu einer Besprechung verabredet und die hat Heyder kurz vor dem Mittagessen abgesagt, da er in Frankfurt in einem Meeting festsaß und es keinesfalls mehr pünktlich schaffte. Ich habe ihn darauf gefragt, welche Vorstellungsgespräche am Nachmittag abgesagt werden müssen. Er hat mir ein paar Namen genannt, aber eine Dorothea Bergmann war nicht dabei.“
Lilles Ausführung überrumpelte Doro völlig. Sie fühlte, wie etwas Kloßartiges ihre Kehle ausbreitete, ihren Verstand benebelte und eine spontane Antwort unmöglich machte.
„Da ist noch etwas“, sagte Lille leise. Der Kloß in Doros Hals verwandelte sich in Zement. „Ich wollte dich am Montagabend spontan besuchen und da stand Heyders Maybach vor deiner Tür. Ich weiß, eigentlich gehört sich das nicht, aber ich habe mein Auto geparkt und gewartet, was passieren würde. Du hast sehr gut ausgesehen in dem schwarzen Cocktailkleid. Ich bin euch bis zum Waldschlösschen gefolgt…“
Der Zementklumpen in ihrem Hals explodierte und setzte eine geballte Ladung Zorn frei. „Hör auf, Lille“, brüllte sie. Im Augenwinkel sah sie, wie ihre Freundin unter der Lautstärke ihrer Worte zusammenfuhr. Eine derart heftige Reaktion hatte Lille offenbar nicht erwartet, aber dafür
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