Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
herrschte erst einmal Ruhe. Rechts vor ihnen lag ein Waldweg. Doro hatte sich wieder gesammelt. Sie nickte in Richtung des Weges und sagte: „Ich werde jetzt da rein fahren und dann können wir reden, okay?“
Lille nickte stumm. Wahrscheinlich war ihrer Freundin dieses Gespräch genauso unangenehm wie ihr selbst.
Sie schaltete den Motor aus und drehte den Oberkörper zu Lille hin. Die saß immer noch statuengleich auf dem Beifahrersitz und starrte geradeaus ins Nirgendwo zwischen den kahlen Baumstämmen. Der Nieselregen war in einen stetigen Landregen übergegangen, der auf das Wagendach herunter prasselte. Ab und an fielen ein paar dickere Tropfen von den umstehenden Tannen, die den gleichmäßigen Takt, unmelodisch wie ein falscher Ton in einem Musikstück, unterbrachen.
„Ist das deine Definition von Freundschaft?“, fragte Doro gefasst.
Lille riss den Kopf zu ihr herum. Ihre Mundwinkel umwölkte ein säuerlicher Ausdruck. „Genau das Gleiche könnte ich dich auch fragen“, gab sie zurück.
„Lille, lass uns vernünftig miteinander reden. Du hast mir nachspioniert und ich will wissen, warum du so etwas machst?“
Lille sank auf dem Beifahrersitz in sich zusammen, als würde ihren prallen Formen plötzlich die Luft ausgehen.
„Wenn du es genau wissen willst, du hast dich in der letzten Zeit verändert. Ich weiß nicht genau, wann es mir zum ersten Mal aufgefallen ist, aber ich denke, es hat kurz nach Maars Auftauchen begonnen.“
„Hey, lass bitte Alexander Maar aus dem Spiel. Er hat überhaupt nichts mit Heyder zu tun.“ Wahrscheinlich ließ es sich nicht verhindern, dass sie Lille über ihren neuen Job aufklären musste, aber ihre Beziehung zu Maar stand auf einem ganz anderen Blatt und schon gar nicht zur Diskussion.
„Entschuldigung, du hast recht. Ich weiß auch nicht, was mich geritten hat, aber an diesem Abend musste ich dir einfach hinterher fahren. Ich habe doch nach der Betriebsversammlung gesehen, wie Heyder dich angeschaut hat. Wie er versucht hat, dich zum Essen einzuladen. Und dann hast du dich immer weiter zurückgezogen. Ich weiß, ich hätte das nicht tun sollen, aber ich war besorgt um dich. Du hast dich einfach so komisch verhalten…“ Sie legte die Arme um Doros Hals. „Bitte sei mir nicht böse. Ich habe mich entsetzlich dumm verhalten.“
Doro erwiderte Lilles Umarmung. „Vielleicht hätte ich dir auch gleich die Wahrheit erzählen sollen. Aber Heyder hatte mich gebeten, Stillschweigen zu bewahren. Aber was soll´s, spätestens am Montag erfährst du es sowieso, wenn ich nicht mehr in die Redaktion komme.“
Lille blinzelte ihr ungläubig aus großen, glasigen, dunkelblauen Augen entgegen. „Was soll das heißen?“
Doro löste ihre Arme von Lille. Angesichts der gegenwärtigen Situation, war es ihr fast peinlich, Lille zu sagen, dass sie in nicht einmal achtundvierzig Stunden ihre neue Stelle antrat. Und dass sie sich darauf freute und dass sie stolz war, dass sie sich deshalb die schicken Klamotten gekauft hatte, die bis vor kurzem überhaupt nicht ihr Stil waren.
„Heyder hat mich als seine persönliche Assistentin eingestellt“, sagte sie.
Kapitel 12 – Veränderungen
Ihr neues Büro befand sich in der alten Papierfabrik. Heyders Firma hatte das Gebäude bereits vor gut anderthalb Jahren gekauft und komplett sanieren lassen und mittlerweile war Doro überzeugt, dass die Idee zum Verkauf des Boten längst nicht so plötzlich entstanden war, wie alle vermuten sollten. Doch die tatsächlichen Beweggründe waren ohne Bedeutung, für sie zählte allein, dass sie ihren Platz gefunden hatte.
Sie lehnte sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück, verschränkte die Hände in ihrem Nacken und ließ ihre Augen durch ihr neues Büro wandern. Es lag im fünften und damit obersten Stockwerk des schnörkellosen, alten Ziegelbaus, das gleichzeitig auch die Chefetage bildete. Der Raum war groß und hell und mit modernen, geradlinigen, dunklen Holzmöbeln eingerichtet. Die alten Backsteinwände waren in ihrer Struktur erhalten geblieben und nur mit weißer Kalkfarbe gestrichen worden. Ihr neuer Arbeitsplatz war kein Vergleich zu der muffigen Kammer, in der sie bei der Zeitung arbeiten musste.
Sie stand auf und trat ans Fenster. Von hier oben hatte sie einen weiten Blick das Steinachtal hinunter, und wenn, wie zu dieser Jahreszeit, die Bäume keine Blätter trugen, konnte sie sogar die Dächer von Alexanders Mühle erkennen. Ihre Augen glitten den
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